„Mission gehört zum Kerngeschäft“

Der Präsident des Kirchenamtes der EKD hält Bischof Hubers Besuch beim Bremer Jungchristentreffen „Christival“ für völlig normal. Vom missionarischen Anspruch der christlichen Kirche will er schon gar keine Abstriche machen. Auch nicht für Juden

HERMANN BARTH, 61, Dr. theol., wirkt seit 1985 im Kirchenamt der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD); seit 2006 ist er Präsident dieses Gremiums. Im Jahr 2004 folgte er als EKD-Vertreter im Nationalen Ethikrat auf Bischof Wolfgang Huber.

INTERVIEW VON BENNO SCHIRRMEISTER

taz: Herr Barth, der Ratsvorsitzende, Bischof Huber, besucht das „Christival“. Eine Annäherung an die Evangelikalen?

Hermann Barth: Wenn man ein sehr pauschales Bild von der evangelikalen Bewegung hat, könnte es von außen so aussehen. In Wirklichkeit ist die evangelikale Bewegung in sich sehr vielfältig. Und viele ihrer Angehörigen sind aktive Mitglieder in unseren Gemeinden. Bischof Hubers Christival-Besuch ist insofern etwas völlig Normales.

Bisher hat es solche Besuche nicht gegeben.

Bischof Huber hat in seiner Amtszeit dazu auch noch keine Gelegenheit gehabt.

Na, aber seine Vorgänger: Die waren nicht da.

Sollen wir alle Christivals auf die Beteiligung von Landesbischöfen und Ratsvorsitzenden durchgehen? 2002 in Kassel war Bischof Hein von der kurhessischen Landeskirche da, 1996 in Dresden Landesbischof Kreß, und der Ratsvorsitzende, Klaus Engelhardt, hat ein Grußwort geschickt. Das mag genügen.

Theologische Basis des Christivals ist die „Lausanner Verpflichtung“. Wenn man sich das anschaut, denkt man: Unproblematisch ist das nicht. Da geht es um Mission, implizit – und in den Erläuterungen auch explizit – um Judenmission.

Mission gehört zum Kerngeschäft aller christlichen Kirchen, sie ist eine Verpflichtung, zu der die Kirchen in den vergangenen Jahren wieder eine neue und intensive Beziehung gewonnen haben. Ich nehme an, Ihre Verwunderung hat etwas damit zu tun, dass durch die problematischen Seiten der Missionsgeschichte der Begriff einen schlechten Klang bekommen hat. Aber wer Christ ist, muss dafür brennen, vom eigenen Glauben zu sprechen, zu zeigen, wie schön Christsein ist – und es damit attraktiv für andere zu machen. Das ist Mission. Und der Missionsauftrag gilt allen Menschen.

Im Jahr 2000 hat sich die EKD deutlich von jeder Judenmission verabschiedet! Klingt Ihr „gilt allen Menschen“ da nicht doch nach einem Wandel?

Ob wir die Bezeugung des christlichen Glaubens auch Juden schuldig sind, ist unter evangelischen Christen und vor allem Theologen eine gelegentlich heiß diskutierte Frage. Bei einem Blick ins Neue Testament kann man feststellen, dass die ersten christlichen Gemeinden keine Probleme damit hatten.

In der EKD-Denkschrift „Christen und Juden III“ wird Judenmission – unter Bezug auch auf die frühchristlichen Aktivitäten – als falscher Weg bezeichnet. „Wir erkennen als Christen angesichts der Schoa den falschen Weg unseres bisherigen Denkens und Handelns gegenüber den Juden“, heißt es da wörtlich…

Den zitierten Satz kann ich durchaus mittragen. Es bleibt aber unter uns strittig, ob es auch ein falscher Weg war und ist, Juden für den Glauben an Jesus Christus zu gewinnen.

Bischof Huber hatte im Jahr 2000 jede Gemeinsamkeit mit Bewegungen abgelehnt, die Judenmission propagieren. Gerät er da jetzt in Bedrängnis?

Diese Aussage bezog sich auf Gruppierungen, die Kampagnen-artig jüdische Einwanderer aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion ansprechen wollten. Das ist eine ganz andere Frage als die, ob wir das Zeugnis unseres Glaubens allen Menschen zu sagen schuldig sind. Daran mache ich keine Abstriche.

Das Christival bietet Seminare an – ein gravierender Unterschied zum Kirchentag mit seinen kontroversen Podien. Macht das der EKD nicht Sorge?

Nein, man kann doch das eine tun, ohne das andere zu lassen. Man kann den Kirchentag wegen seiner großen Spannweite von Positionen schätzen. Aber das verträgt sich durchaus mit Veranstaltungstypen, die ein klareres, eindeutigeres inhaltliches Profil haben. Und darum stärker der Orientierung und der Fortbildung dienen.

Wäre denen mit Seminaren gedient, die ein – so der Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche, Renke Brahms – „holzschnittartiges Frauenbild“ oder „besonders wissenschaftsferne Positionen zum Thema Homosexualität“ – so Familien-Staatssekretär Hermann Kues – vertreten?

Man soll sich – wie Renke Brahms und Hermann Kues es getan haben – vor Pauschalurteilen hüten und nicht alles in einen Topf werfen. Im Blick auf das abgesagte Seminar…

das einzige zum Thema Homosexualität…

… habe ich selbst öffentlich deutlich gemacht, dass die Voraussetzungen, von denen es geleitet ist – im Blick auf Therapiebedürftigkeit und -zugänglichkeit homosexuell orientierter Menschen – der Position der EKD nicht entsprechen. Aber zur spannungsreichen Wirklichkeit der evangelischen Kirche gehört, dass wir in einer Reihe von Fragen Mehreres nebeneinander stehen und gelten lassen.