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Archiv-Artikel

Schleswig bekommt ein Gericht dazu

Als letztes Bundesland hat auch ab dem 1. Mai Schleswig-Holstein ein eigenes Verfassungsgericht. Für Privatleute ändert sich dadurch wenig: Sorgen sie sich um ihre Grundrechte, müssen sie weiterhin nach Karlsruhe ziehen

Schleswig statt Karlsruhe: Ab Donnerstag kommender Woche werden Streitfragen und Klagen zu Landesgesetzen und der Landesverfassung in Schleswig-Holstein selbst entschieden. Als letztes Bundesland richtet Schleswig-Holstein zum 1. Mai ein eigenes Landesverfassungsgericht ein. Am gestrigen Mittwoch wählte der Landtag die sieben zuständigen Richterinnen und Richter, die allesamt Posten an anderen Standorten haben und für das Verfassungsgericht ehrenamtlich tätig sind. Sitz des neuen Gremiums ist Schleswig, wo bereits heute das Oberlandes- und das Oberverwaltungsgericht angesiedelt sind.

Bisher mussten Streitfälle beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden werden, so zuletzt die Klage der Grünen gegen die Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen. In der Praxis führte das oft zu langen Wartezeiten: Angesichts der Masse bundesweiter Fälle rutschten Klagen aus dem Norden eher auf die lange Bank. „Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe waren nie begeistert, dass sie diese Verfahren durchführen mussten“, glaubte der Grünen-Fraktionschef Karl-Martin Hentschel zu wissen.

„Karlsruhe ist weit“, sagte auch der SPD-Abgeordnete Klaus-Peter Puls bei einer Debatte im vergangenen Jahr. „Wir brauchen ortsnahe, zeitnahe und sachnahe Urteile“, so der Verfechter eines eigenen Gerichts. Die Diskussion darum begann schon in den 1990er Jahren, doch erst die jetzige schwarz-rote Koalition einigte sich darauf, den Plan auch umzusetzen. Ende vergangenen Jahres verabschiedete der Landtag das entsprechende Gesetz.

Lange war unklar, wo das neue Gericht seinen Sitz haben würde: Lübeck brachte sich ins Spiel, warb mit seiner alten Rechtstradition – und lockte mit einem edlen Sitzungssaal im Rathaus. Für Schleswig sprach dagegen, dass hier bereits mehrere Gerichte tagen und die Logistik stimmt: „Verfassungsrecht ist kein repräsentativer Spielkram“, so Puls. „Das Verfassungsgericht braucht keine Festsäle, sondern Funktionsräume.“ Und wegen der schlechten Finanzlage des Landes sollte das neue Gericht möglichst wenig kosten – und so machte Schleswig das Rennen.

Zuständig ist das neue Gericht für Klagen zwischen „Organen“, wenn also zum Beispiel Fraktionen oder die Kommunalverwaltung gegen Landesgesetze protestieren wollen. Bürgerinnen und Bürger, die sich in ihren Rechten verletzt sehen, müssen in der Regel weiterhin nach Karlsruhe: Da die Landesverfassung sich zu Grundrechten nicht äußert, entscheidet wie bisher das Bundesverfassungsgericht. ESTHER GEISSLINGER