: Eine Reise durch das ehemalige Jugoslawien
Zweiter Albatros-Literaturpreis der Bremer Günther Grass Stiftung: Der serbische Autor Bora Cosic und seine Übersetzerin Katharina Wolf-Grießhaber werden für „Die Reise nach Alaska“ ausgezeichnet
Zum zweiten Mal hat die Bremer Günter-Grass-Stiftung am Freitag den Albatros-Literaturpreis verliehen. Ausgezeichnet wird jeweils ein Autor eines bedeutenden fremdsprachigen Werkes, sowie dessen Übersetzung ins Deutsche. Preisträger sind diesmal der serbische Schriftsteller Bora Cosic und die Übersetzerin Katharina Wolf-Grießhaber. Der Preis ist mit insgesamt 40.000 Euro dotiert – 25.000 Euro für ein fremdsprachiges Werk, 15.000 Euro für die Übersetzung ins Deutsche. Wer derart viel Geld zur Förderung der Künste bereitstellt, ist unklar: Die Spender möchten anonym bleiben. Donate Fink, Geschäftsführerin der Bremer Stiftung, sagte lediglich, dass es sich um zweckgebundene Spender handele.
Für Cosic entschied sich die Jury, weil er zu den wichtigsten serbischen Autoren unserer Zeit zähle, der „wie kein anderer die Existenz zwischen den Welten schildert“. So auch in seinem jüngsten Buch „Die Reise nach Alaska“ über eine Reise durch das ehemalige Jugoslawien. Cosic geht den Spuren des Hasses, des Krieges und der Vernichtung nach, stellt aber zugleich die Vielgestaltigkeit und die Schönheit einer Stadt wie Sarajewo dar. „Wer dieses Buch gelesen hat, weiß, wie sehr das Schicksal Südeuropas unser aller Leben bestimmt hat und bestimmen wird und dass wir auf eine friedliche Lösung der Konflikte dieser Region hoffen müssen“, so die Jury zur Begründung. Die Übersetzung Katharina Wolf-Grießhabers treffe zudem in herausragender Weise den Ton des literarischen Originals.
In seiner Dankesrede sprach Cosic die Situation Serbiens auf dem Balkan an und verglich die Menschheit mit dem Albatros aus Charles Baudelaires Gedicht „Der Albatros“: In der Luft ein wahrer Künstler, ist der Vogel am Boden unbeholfen und tollpatschig. „Unsere Spezies, die menschliche, hat vieles erfunden, das Radium entdeckt, den Umfang des Erdballs ausgemessen, und dennoch unterlaufen ihr bei dem, was sie jeden Tag tut, verschiedene Fehler“, sagte er. „Entweder stolpern wir auf ebenem Boden, oder wir lassen etwas sehr Kostbares fallen. Wie viel hat unser Menschenvolk zerbrochen, aus reiner Unachtsamkeit und Ungeschicklichkeit, die eigentlich eine albatros’sche ist.“
Cosic, geboren 1932 in Zagreb und aufgewachsen in Belgrad, lebt heute in Berlin und im kroatischen Rovinij. In seinen Büchern bezieht er zwar immer politische Positionen, sieht sich aber nicht als politischen Autor. Sondern als Schriftsteller, der auf Probleme antworte, die Menschen unter schlechten Lebensbedingungen haben.
Über Cosic’ Übersetzerin Katharina Wolf-Grießhaber sagte Wolfgang Schlott, sie stehe während ihrer Tätigkeit im ständigen persönlichen Kontakt mit „ihren“ Autoren. Der intensive Gedankenaustausch mit Blick auf schwierige Textpassagen habe dabei auch die ethnologische Komponente der Erzählwerke ins Spiel gebracht: „Es handelte sich in diesem Fall um die Erklärung und Ausdeutung fremdkultureller Rituale, Gefühlsbegriffe und Handlungsmuster, die in Erzählstrukturen eingeschrieben sind“, sagte Schlott.
Katharina Wolf-Grießhaber wurde 1955 in Stuttgart geboren und studierte Slavistik und Osteuropäische Geschichte in Heidelberg und Bochum. Heute lebt sie als freie Übersetzerin in Münster. Auch sie bezog sich in ihrer Dankesrede auf den tragischen Seevogel, der ihrem Preis den Namen gab: „Ich als Übersetzerin übernehme gerne den Part des Reisegefährten, den der Albatros bei Baudelaire ja auch innehat.“ ANJA GRÜNENFELDER