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Archiv-Artikel

Bauten für Despoten

Im Hamburger „Spiegel“-Forum diskutierten Meinhard von Gerkan und Christoph Ingenhoven

Deutsche Architekten sind im Ausland tätig wie nie zuvor. Sie bauen in China, Libyen oder Vietnam – und das wirft Fragen auf. Darf man überhaupt für nichtdemokratische Regime bauen? Der Architekt Christoph Ingenhoven hatte Ende letzten Jahres im Spiegel Besonnenheit eingefordert und eine öffentliche Debatte über das Thema.

Am Donnerstagabend brachte ihn das Spiegel-Forum mit Meinhard von Gerkan zusammen, dessen Büro gmp allein in China mehr als 50 Bauprojekte betreibt. In der übervollen Hamburger Akademie der Künste gerieten beide Architekten schon beim ersten Wortwechsel aneinander. Von Gerkan schwärmte von China als einem Freiraum für experimentelle Architektur, nirgends könne man sich als Baumeister besser verwirklichen. Ingenhoven erinnerte daran, dass die meisten Chinesen nichts von den baulichen Freiräumen hätten. Damit war der Grunddissens angesprochen, der den Lauf des Abends bestimmen sollte. Da baue er weiche Gebäude, im Geiste der Demokratie, so von Gerkan, und nun sehe man gerade darin ihren Makel. Zu Recht, sagt Ingenhoven: Die von Rem Koolhaas und dem deutschen Architekten Ole Scheeren entworfene Zentrale des chinesischen Staatsfernsehens möge noch so transparent und offen wirken, am Ende bleibe sie doch die „Zentrale der Gleichschaltung“. Vor diesem Hintergrund plädiert Ingenhoven dafür, sich als Architekt wackligen Staaten zu verweigern und Kritik an den dortigen Missständen zu äußern, statt ein Auge zuzudrücken. „Sie würden“, sagt er, „einem russischen Kritiker doch auch nicht sagen, halt die Klappe, schreib schön weiter und mit der Zeit wird schon alles gut.“

Von Gerkan dagegen hat das Gefühl, es sei, zumindest in China, alles auf gutem Wege. „Die meisten Chinesen“, behauptet er, „sind doch zufrieden mit ihrem System.“ Und fügt noch hinzu: Man solle bitte nicht nur die Bild lesen, die ein völlig falsches Chinabild in Deutschland propagiere. Er gibt sich fest davon überzeugt, dass seine Bauten und der dabei initiierte Prozess des Austauschs für eine Demokratisierung Chinas nur förderlich sein könnten. Und während sich von Gerkan so als großer Freund und Förderer der Chinesen profiliert, stellt er nebenbei Ingenhoven als einen kleinen Rassisten hin, der sich doch gar nicht um chinesische Belange kümmern möchte. Das war der Tiefpunkt einer von Anfang an zerfahrenen Diskussion. Schnell verlegte sich Ingenhoven aufs Plakative, von Gerkan verließ sich gern auch aufs Ressentiment. Die Spiegel-Moderatoren waren zwar um Ausgleich bemüht, vergaßen darüber aber den sachlichen Fortgang der Diskussion. Was sich dabei klar gezeigt hat: Wenn sich zwei prominente Architekten nicht angemessen über ihren Gegenstand verständigen können, dann ist eine Debatte darüber, wo und wie gebaut werden soll, tatsächlich dringend nötig. Das Spiegel-Forum kann also höchstens ihr Anfang gewesen sein.

MAXIMILIAN PROBST