: Gezerre um den EU-Kommissar
Rote-Socken-Hintze? Roland Koch? Oder doch der Sozialdemokrat Martin Schulz? Union und SPD zanken offen darum, wer einen Politiker nach Brüssel schicken darf
BERLIN taz ■ Union und SPD streiten öffentlich darüber, wen Deutschland als EU-Kommissar nach Brüssel schickt. Nächstes Jahr wird der Posten frei, weil der Sozialdemokrat Günter Verheugen als Industriekommissar aufhört. „Unser Koalitionspartner darf davon ausgehen, dass die Union ihren Anspruch anmelden wird“, sagte Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel in einem Interview. Dagegen verkündete SPD-Chef Kurt Beck, sein Parteifreund, der SPD-Europaabgeordnete Martin Schulz, sei bestens geeignet. Und um die Eignung müsse es ja schließlich in erster Linie gehen.
Auch Merkel versicherte, bei der Union gebe es ein Reihe fachlich sehr gut geeigneter Persönlichkeiten. Sie nannte allerdings keine Namen. Im Gespräch sind Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hintze, Hessens Ministerpräsident Roland Koch und der Europaabgeordnete Elmar Brok. Hintze, der einst für Helmut Kohl Rote-Socken-Kampagnen leitete, hat sich im System Merkel bestens zurecht gefunden. Die Kanzlerin kennt ihn schon, seit er bei ihr Staatssekretär im Frauen- und Jugendministerium war. Inzwischen hat er gleich zwei einflussreiche Posten: Als Staatssekretär hält er den Kontakt zur Luftfahrtindustrie. Zudem leitet er die mächtige Gruppe der nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten. Früher machte Hintze Europapolitik. Wenn Merkel ihn als Kommissar durchsetzt, hätte sie einen Getreuen in Brüssel installiert.
Nähme sie Koch, könnte sie möglicherweise das Patt in Hessen auflösen, wo die CDU mit einer geschäftsführenden Regierung laviert, aber keine Parlamentsmehrheit zusammenkriegt. Würde die Reizfigur Koch nach Brüssel verschickt, wäre wohl die SPD, eventuell auch die Grünen geneigter, über ein Bündnis zu sprechen. Wenig hätte die Kanzlerin dagegen davon, den westfälischen Abgeordneten Brok zu nehmen.
All das wird jedoch nur etwas, wenn die Union sich gegen die SPD durchsetzt. Diese rühmt Martin Schulz, der auch Chef der Sozialdemokraten im Europaparlament ist. Nun versuchen beide Seiten, allerhand Argumente zusammenzutragen: Die CDU jammert, sie habe schon 20 Jahre niemanden mehr nach Brüssel entsenden dürfen. Die SPD schimpft, die Union habe erst einen Richter für den Europäischen Gerichtshof aussuchen dürfen. Da die EU gewachsen ist, darf anders als früher jedes Land nur einen Kommissar stellen.
Früher wurde sogar die Opposition berücksichtigt. Das ist vorbei. Kein Wunder, dass FDP und Grüne versuchen, ihre Chance zu wahren, falls sie 2009 an die Regierung kommen. Der Grüne Jürgen Trittin und der Liberale Werner Hoyer baten lautstark, vor der Wahl nichts festzuzurren.
GEORG LÖWISCH