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Archiv-Artikel

Kaputt ist das neue Sauber

Lange Zeit schienen Rockmusik und Modewelt getrennte Wege zu gehen, aber allmählich finden sie doch wieder zusammen. These New Puritans versöhnen beide Welten: Zu den größten Fans ihres Elektrobritpops zählt der Stardesigner Hedi Slimane

Ihre Songtitel klingen, als würden Mathe- studenten plötzlich gute Musik machen

Mode und Musik gehören zusammen. Aber Laufsteg und Rock ’n’ Roll? Seit dem Ende der Sex Pistols schienen sich diese beiden Welten immer weiter getrennt zu haben. Die Modewelt wendete sich dem Superpop eines George Michael oder dem Dancepop der Pet Shop Boys zu. Der kontemporäre Rock ’n’ Roll dagegen, selbst lange in der Krise, betonte wiederum die Schäbigkeit, das Anti-Schicke, die Zerrissenheit – nicht nur in Sachen Seele und Musik, sondern auch in Sachen äußerer Erscheinung. Rocker trugen kein Armani oder Versace. Und auf den Modeschauen lief eben kein Pavement oder Nirvana, kein Indierock oder Grunge, und auch kein Britpop à la Oasis oder Blur.

Dieses angespannte Verhältnis hat sich mittlerweile gelockert. Mit dafür verantwortlich ist natürlich das Supermodel Kate Moss, das sich erst in einem Video der White Stripes lasziv um eine Table-Dance-Stange rankte und dann durch ihren streitbaren Geschmack für seelisch wie körperlich kaputte Männer der Rockwelt von sich reden machte. Nach der gescheiterten Verlobung mit Pete Doherty von den Libertines (bzw. Babyshambles) folgte jetzt, fast logisch, die Hochzeit mit Jamie Hince von der Band The Kills.

Nicht erst seit ehemals distinktive Indie-Musikmagazine wie Spex oder Intro über Modestrecken nachdenken, sind Kleidung und Rockmusik wieder so eng miteinander verzahnt wie vielleicht seit den Sechzigerjahren nicht mehr. Oder wie vielleicht noch nie? Rockmusik auf Modeschauen, junge Bands wie Vampire Weekend, die sich als Fans von Ralph Lauren outen, Indie-DJs auf Hochzeitsfeiern, wo das junge Brautpaar zu „Last Nite“ von den Strokes tanzt – das alles ist inzwischen normal geworden. Schön und schick gibt sich Straßenkredit: Kaputt ist das neue Sauber.

Auftritt These New Puritans. Diese juvenile, vierköpfige Formation aus dem englischen Southend-on-Sea gründete sich 2005 und nahm recht schnell eine EP („Now Pluvial“) auf, die Anfang des Jahres 2007 aus irgendeinem Grund dem Modedesigner Hedi Slimane zu Ohren gekommen sein muss. Der jedenfalls engagierte die Band vom Fleck weg für die Präsentation der Herbstkollektion von Dior Homme. Vier junge Freaks aus einem Küstenkaff beschallen einen Mode-Event erster Güte! Und zwar mit einer kompliziert und sperrig daherkommenden Musik, die sehr elektronisch ist und doch irgendwie auch Punk. Oder besser: Postpunk. Gang of Four auf neu und elektronisch, könnte man lakonisch sagen.

Hedi Slimane scheint den Sound der neuen Puritaner jedenfalls zu mögen. Auf seinem Bildertagebuch im Internet finden sich wieder zahlreiche anzügliche Aufnahmen von natürlich Kate Moss, der wir in diesem Zusammenhang nicht zum letzten Mal begegnen. Aber eben auch Fotos von jungen Akustikgitarristen, den gerahmten Beatles und große Wandplakate der französischen Poplegenden Jacques Dutronc und Françoise Hardy. Dazu Bilder von Vierspurrekordern, Doc-Martens-Stiefeln und Flanellhemden. Pop follows Fashion und vice versa.

These New Puritans kommen optisch übrigens eher schlicht daher. Die drei Jungs, darunter die Zwillinge Barnett, tragen die typischen englischen Pilzkopffrisuren, wie man sie in Richard Lesters Beatlesfilm „A Hard Day’s Night“ trug – also 1964 –, dazu akkurate farblose Hemden. Blickfang ist die Tastenspielerin Sophie Sleigh-Johnson, die wallend blonde Haare trägt. Für das Layout des Anfang des Jahres erschienenen Debüts „Beat Pyramid“ wurde da schon mehr Sorgfalt verwendet. Edelschwarz, Scherenschnitte, Futurismus. Mit Dior Homme hatte aber auch das wenig zu tun.

Auf dem New-Puritans-Album finden sich knapp 40 Minuten aufgeregte und aufregende Musik. Es herrscht Jack Barnetts Stakkatogesang, den er beim Vorbild Mark E. Smith abgeschaut hat. Konstruierte Komplexität. Schon die Songtitel halten These New Puritans gern enigmatisch: irgendwo steckt Mathematik dahinter, ist zu vermuten. Als ob sich junge Mathematikstudenten plötzlich auch für gute Musik interessierten! These New Puritans nennen ihre Songs beispielsweise „C. 16th +/-“, „MKK3“, „H.“, „4 Pound“ oder schlicht „4“. Math Rock ist sowieso überhaupt nicht fern, der Name Gang of Four fiel ja schon, ein anderes Vorbild wäre Shellac und aus der gleichen Jahrgangsstufe vielleicht noch die Foals. Nur dass These New Puritans auf Elektronik setzen. Ihre Gitarren klingen eben nur wie Gitarren. In Wahrheit sind es zumeist Synthiesounds. Ganz wie in den Schulen des New Wave gelernt.

Nachdem sie im April als Vorgruppe der Kills (Jamie Hince! Gatte von Kate Moss!) durchs Vereinigte Königreich getourt sind, kann man sie jetzt hierzulande erleben. Überzeugen lassen sollte man sich von der Band heute Abend im Magnet. Aber Obacht, es könnte voll werden. Viele gut angezogene Menschen könnten kommen, um ihre teuren Designerklamotten durchzuschwitzen. RENÉ HAMANN

These New Puritans, live im Magnet Club, 8. 5., 20 Uhr (plus Fullduplex)