piwik no script img

Archiv-Artikel

Kalifornien vermisst den Königslachs

US-Behörden verhängen erstmals ein Fangverbot für Lachse. Die Zahl der Fische vor der kalifornischen Küste hat sich im letzten Jahr dramatisch verringert. Verantwortlich dafür könnte die intensive Landwirtschaft im Westen der USA sein

WASHINGTON taz ■ Wo ist all der leckere Fisch geblieben? Das fragen sich die Bewohner der US-Westküste, die Fischer und die US-Behörden. Der plötzliche und dramatische Rückgang des vor der kalifornischen Küste beheimateten Chinook-Lachses führt dazu, dass die US-Bundesregierung den diesjährigen Lachsfang an der Westküste komplett verboten hat. Es sei das erste derartige Fangverbot seit Beginn der kommerziellen Fischerei vor 160 Jahren, berichtete die Zeitung San Francisco Chronicle kürzlich.

US-Handelsminister Carlos Gutierrez erklärte den Lachsmangel umgehend zu einer „Fischerei-Katastrophe“ und sicherte damit den betroffenen Fischern finanzielle Hilfe zu. Das Fangverbot ist notwendig, damit überhaupt noch Hoffnung gehegt werden kann, dass sich die Bestände des Königslachses erholen.

In den vergangenen vier Jahren waren jeden Herbst durchschnittlich 475.000 Lachse zum Laichen in den Sacramento River zurückgekehrt. Im letzten Herbst bemerkten Fischer und Wissenschaftler, dass die Zahl auf knapp 90.000 gesunken war. Experten befürchten, dass sich der Bestand in diesem Jahr halbieren könnte.

Warum der Königslachs sich so dramatisch rar macht, darüber wird nun heftig spekuliert. Wissenschaftler der US-Klimabehörde National Oceanic and Atmospheric Administration vermuten, dass eine Veränderung der Wassertemperaturen und des Nährstoffangebots im Pazifik die Entwicklung der jungen Lachse beeinträchtigt.

Umweltschützer sehen die Verantwortung für den Kollaps auch bei der Bush-Administration. Die habe dem Druck der Agrarlobby nachgegeben und die Umleitung großer Wassermassen auf Großfarmen im Sacramento-Flussdelta gestattet. Insgesamt sei die für Bewässerungszwecke abgezwackte Wassermenge in den vergangenen fünf Jahren um 20 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum habe sich die Lachspopulation drastisch verringert, sagt Tina Swanson, Wissenschaftlerin am Bay Institute, einer kalifornischen Umweltorganisation. „Mit der Bewässerung läuft etwas sehr, sehr schief.“ Aufgrund des Wassermangels könnten die Babylachse nicht mehr bis in den Pazifik gelangen, hinzu kämen möglicherweise Belastungen etwa durch große Mengen an Pestiziden im Flusswasser.

Neben dem Sacramento-Flussdelta sind nach Angaben von US-Medien aber auch zwei weitere Küsten-Ökosysteme bedroht. Im Becken des Klamath-Flusses kam es bereits 2005 und 2006 zu einem Kollaps der Fischpopulationen. Im gigantischen Columbia-Snake River Basin gelten verschiedene Lachsarten bereits als bedroht. In beiden stark bewirtschafteten Gebieten, so Umweltexperten, habe die Bundesregierung jeweils den Wünschen der Energie- und der Agrarindustrie nachgegeben.

ADRIENNE WOLTERSDORF