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Archiv-Artikel

In Bayern sind die Freunde Feinde

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten schwächelt die CSU im Freistaat deutlich. Doch statt diese Situation zu nutzen, sind Grüne und Sozialdemokraten vor allem darauf bedacht, sich gegenseitig das Leben so schwer wie möglich zu machen

MÜNCHEN taz ■ Stinksauer ist Thomas Hartmann, Grünen-Fraktionschef aus Kempten: Keinen Posten bekam seine Partei zugesprochen, obwohl die Grünen in der südbayerischen Stadt ihr Ergebnis nahezu verdoppelt haben. 11,4 Prozent bekamen sie bei der Kommunalwahl im März. Und der 45-jährige Hartmann selbst erhielt als OB-Herausforderer jede dritte Stimme. Verloren haben dagegen die Sozialdemokraten, die jetzt gleich viele Stadträte stellen wie die Kemptner Grünen. Und auch die CSU wurde von der absoluten Mehrheit auf 40,6 Prozent gedrückt.

Doch der grüne Sieg spiegelt sich nicht wider in den Gremien, Aufsichtsräten und Ausschüssen, die in diesen Tagen neu besetzt wurden. Nirgends wurden Hartmann und seine fünf Fraktionskollegen berücksichtigt. Zudem flogen sie aus Gremien, in denen sie schon lange mitgearbeitet hatten. „Das ist ein Vorgang, wie es ihn in Kempten seit vier Jahrzehnten und unter vier Oberbürgermeistern nicht gegeben hat“, schimpft Hartmann. Und versteht vor allem das unkollegiale Verhalten der Sozialdemokraten nicht, die sich auch gegen die Grünen gestellt haben: „Die wollen wohl irgendwie an der Macht bleiben.“

Rot gegen Grün. Diesen Zwist kann man in Bayern an vielen Stellen beobachten. Selbst jetzt noch, knapp fünf Monate vor der Landtagswahl, bei der die CSU schlecht dasteht, wie seit 1994 nicht mehr. Doch statt des Einschießens auf den gemeinsamen Gegner üben sich die beiden Oppositionsparteien lieber in der Kunst des gegenseitigen Zerfleischens. „Mit der SPD ist es leider oft schwierig, so ist sie etwa auch im Landkreis Traunstein umgefallen und hat dort eine Mehrheit jenseits der CSU verhindert“, kritisiert Dieter Janecek, Geschäftsführer der bayerischen Grünen. „Wir spüren leider schon oft einen Zwist mit der SPD“, sagt er. Für schlechte Stimmung sorgt etwa auch Freising.

Der Grüne-Abgeordnete und promovierte Vogelkundler Christian Magerl stand dort im März vor der Wahl zum Landrat. Aber sein parteifreier Stichwahlkontrahent wurde von der CSU unterstützt – während die SPD gar keine Empfehlung aussprach. Magerl unterlag. Und auch auf Landesebene sticheln die beiden Oppositionsparteien mit Vorliebe gegeneinander. Da veranstalten dann SPD und Grüne im Landtag zwei hochkarätige Diskussionsveranstaltungen am selben Abend, weil man sich vorher nicht verständigt hat. Oder zu Beginn der Landesbank-Krise im Februar schickt die SPD eine beleidigte Pressemitteilung mit den Worten: „SPD bereitet schon seit Tagen Fragenkatalog für Landesbank-Untersuchungsausschuss vor – bereits Kontakt zu Grünen.“ Kurz zuvor hatten die Grünen in einer Mitteilung die CSU-Regierung in der Sache harsch angegangen.

Janecek sieht mehrere Gründe für das Dauerkriseln der beiden Parteien, die eigentlich natürliche Verbündete sein müssen. „Wir Grüne treten lebenslustiger und selbstbewusster auf, stehen seit Jahren hier in den Umfragen gut da, sind auch in der Bevölkerung gefühlt ein Teil von Bayern, das neidet man uns“, glaubt Janecek. Die bayerische SPD trauere dagegen dem Beinahe-Verlust ihres Status als Volkspartei hinterher. „Dabei haben wir kein Interesse an einer schwachen SPD, sondern wünschen uns, dass sie sich einmal wieder 30 Prozent nähert“, versichert Janecek. Nur dann sei in Bayern ein wirklicher Wechsel möglich.

In der Kemptner SPD sieht man das eigentlich genauso. „Streitereien zwischen SPD und Grünen sind vollständig blöd“, gesteht Fraktionschef Ludwig Frick zu. „Unser Gegner ist eigentlich die CSU.“ Doch dann schimpft er wieder: Die Grünen versuchten in Kempten stets sich gegen die SPD zu profilieren. Rot-grüne Harmonie sieht anders aus. MAX HÄGLER