: „Das ist ein Breitenproblem“
Ein Jahr Bremer Jungenbüro: Hohe Dunkelziffer bei den Gewaltopfern, zu geringe Sensibilität in den Schulen
Die absoluten Zahlen klingen nicht sehr spektakulär: 306 Beratungen hat das Bremer Jungenbüro im ersten Jahr seines Bestehens geleistet, 114 so genannte „Fälle“ betreut. Knapp die Hälfte davon sind Opfer sexueller Gewalt, die Übrigen zumeist von Mobbing und Ausgrenzung betroffen. Doch die Dunkelziffer, sagt Volker Mörchen vom Jungenbüro, sei sehr viel höher: „Das ist ein Breitenproblem.“ Jeder zehnte erlebe Mobbing, jeder elfte sexualisierte Gewalt durch ältere Jugendliche, erwachsene Männer oder Frauen.
„Es ist unglaublich schwer, Jungen zu erreichen“, sagt Mörchen, und jene, die es über die Schwelle des Jungenbüros geschafft haben, haben in der Regel schon mit anderen über ihre Gewalterfahrung gesprochen. Niedrigschwellige Angebote sollen deshalb in Zukunft verstärkt, eine Online-Beratung aufgebaut werden.
Dabei seien auch die Schulen verstärkt gefordert: „Ein großes Problem besteht nach wie vor darin, dass schwere Mobbing-Fälle an einigen Schulen schlicht und einfach nicht als Gewalt wahrgenommen werden“, sagt Mörchens Kollege Rolf Tiemann. Das sei „normales Jungenverhalten“, heiße es dann, und dass Jungs eben viele Konflikte austrügen. Oft treffe es einige wenige, sagt Tiemann, die aber dann „ganz massiv“. Einige könne man mit dem Jungenbüro – das ausdrücklich keine Täterarbeit macht – erreichen, aber viele „lassen sich nur schwer helfen“. Helfen sollen dabei die Selbstbehauptungskurse für neun- bis 16-jährige, von denen es bislang sechs gab, mit insgesamt über 100 Jungen. Manche finden in Zusammenarbeit mit Schulen statt, viele aber sind frei ausgeschrieben, die Teilnahme anonym – damit die anderen Jungen aus der Klasse es nicht mitbekommen.
Finanziert wird das Jungenbüro bislang zu drei Viertel von jener Stiftung, die die Sonderpostwertzeichen „Für die Jugend“ herausgibt, nur gut zehn Prozent des Etats stammen aus Mitteln der Stadt. Im kommenden Jahr läuft die Förderung aus, doch die Signale aus der Behörde, sagt Mörchen, seien „positiv“. mnz
www.bremer-jungenbuero.de, Schüsselkorb 17 / 18, ☎ 59 86 51 60