: Anschlag auf Berliner Wohnhaus aufgeklärt
Zwei junge Männer, die der rechtsextremen Szene nahestehen sollen, wurden wegen versuchten Mordes verhaftet
BERLIN taz ■ Am Montag hat das Amtsgerichts Berlin-Tiergarten gegen zwei junge Männer, die der rechtsextremen Szene nahestehen sollen, Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen. Die 16- und 18-Jährigen stehen im Verdacht, zwei Brandanschläge auf Einfamilienhäuser in Neukölln verübt zu haben. Weil ein fremdenfeindlicher Hintergrund nicht ausgeschlossen werden konnte, hatte der Polizeiliche Staatsschutz, der für politische Straftaten zuständig ist, die Ermittlungen übernommen. Laut Staatsanwaltschaft hat einer der Tatverdächtigen inzwischen ein Geständnis abgelegt.
Den bisherigen Ermittlungen zufolge versuchten die Beschuldigten, in der Nacht zum 22. März ein Haus im Berliner Stadtbezirk Neukölln in Brand zu setzen. Sie sollen zwei Molotowcocktails auf das Gebäude, das Einwanderer bewohnen, geworfen haben. Die Fassade sei durch die Brandsätze beschädigt worden, teilte die Polizei mit.
Außerdem wird den jungen Männern, die selbst in Neukölln wohnen, vorgeworfen, am Morgen des 20. April vier Brandsätze gegen ein anderes Haus in Neukölln-Rudow geworfen zu haben. Zwei der Molotowcocktails entzündeten ein Partyzelt im Garten. Obwohl in dem Gebäude Menschen schliefen, wurde niemand verletzt.
Dass Rechtsextreme in Rudow besonders aktiv sind, ist nichts Neues, auch wenn Brandanschläge auf Wohnhäuser eine neue Dimension darstellen. Der Berliner Verfassungsschutz zählt Rudow zu den vier „verdichteten Räumen rechter Gewalt in Berlin“. In einer Broschüre des Verfassungsschutzes zu rechter Gewalt in Berlin heißt es: „Die Tatorte konzentrieren sich auf die sogenannte Rudower Spinne, einen größeren Platz mit mehreren Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel.“ In Rudow leben demnach vergleichsweise viele Rechtsextremisten. Die meisten rechtsextremen Straftaten würden innerhalb eines Radius von 2,5 Kilometern um den Wohnort begangen. Auch die beiden attackierten Häuser liegen innerhalb dieses Bereichs rund um die „Rudower Spinne“.
Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin schätzt, dass die rechtsextreme Szene in Rudow in den vergangenen Jahren stärker, aber nicht unbedingt organisierter geworden ist. „Das ist eine lose Nazi-Szene, bestehend aus ein paar Dutzend Leuten, die sehr ausländerfeindlich, sehr rassistisch und sehr gewalttätig sind“, sagte Jentsch der taz. Zwar gebe es Kontakte einiger zentraler Aktivisten zur NPD, die auch in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung vertreten ist, aber meist nutzten die relativ jungen Rudower Rechten das Label „autonome Nationalisten“.
Das sind Rechtsextreme, die Kleidung, Parolen und Aktionsformen linker Autonomer kopieren und sie für die eigenen Ziele gegebenenfalls verändern. Zudem sind sie äußerst gewaltbereit. Rechtsextreme Straftaten, gerade auch von „autonomen Nationalisten“ begangene, nehmen in letzter Zeit verstärkt zu. Allein im ersten Quartal dieses Jahres registrierte die Polizei bundesweit 3.364 rechte Delikte.
CHRISTIAN SALEWSKI