: Streit um Überhangmandate
Gelten Überhangmandate bereits als „weitere Sitze“? In Schleswig-Holstein ärgern sich die Parteien gegenseitig
Zwei Wochen nach der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein ist klar: Durch Überhangmandate vergrößert sich die Zahl der FeierabendpolitikerInnen allein in den Kreistagen sowie Kiel und Lübeck um 143 – auch in vielen Gemeinden müssen die Fraktionen enger aneinander rücken. Unklar ist wie sich die Sitze verteilen. Die kleinen Parteien protestieren gegen die Rechtsauslegung des SPD-geführten Innenministeriums, und die CDU schlägt sich auf ihre Seite.
Der Streit entzündet sich um die Verteilung der Überhang- und Ausgleichsmandate. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Wahlbezirke direkt gewinnt, als ihr prozentual zustehen. Um das Gleichgewicht zu wahren, erhalten die anderen Parteien Ausgleichsmandate, allerdings darf es nur maximal doppelt so viele „weitere Sitze“ wie Überhangmandate geben. Aber: Gelten Überhangmandate bereits als „weitere Sitze“? Das sagt das Innenministerium unter Lothar Hay (SPD) und beruft sich dabei auf ein Gesetz von 1965, das „unverändert in Kraft“ sei. Demnach wären beispielsweise in Kiel, wo die SPD drei Überhangmandate gewonnen hat, drei Ausgleichssitze zu verteilen, um auf eine Gesamtzahl von sechs „weiteren Sitzen“ zu kommen. Der Fraktionschef der Grünen, Karl-Martin Hentschel, führt dagegen neuere Gerichtsurteile ins Feld: Drei Überhang- bedeuteten sechs Ausgleichsmandate.
Peter Lehnert von der CDU-Landtagsfraktion stimmt zu: „Recht und Gesetz müssen der Maßstab staatlichen Handelns sein.“ Uneigennützig ist diese Auslegung nicht: In Kiel würden CDU und Grüne profitieren – und könnten mit der FDP ein Jamaika-Bündnis schmieden. Im Kreis Ostholstein kämpft die FDP um ein weiteres Mandat, in Lübeck würden Grüne und eine Wählergruppe profitieren. Die Spitzen von Grünen wie FDP raten ihren Ortsverbänden zu klagen. Setzen sie sich durch, wäre das ein Verlust für die öffentlichen Kassen: Zwar sind die Posten ehrenamtlich, werden aber mit Entschädigungen honoriert, die pro Abgeordneter und Monat mehrere Hundert Euro betragen können. EST