Weg mit der schmutzigen Wäsche

Die Eon-Tochter Dekonta will im Landkreis Cuxhaven radioaktive Wäsche waschen. Eine Bürgerinitiative fürchtet, eine neues Zwischenlager für Atomschrott könnte hier entstehen. Die Gemeinde spricht von „Panik“ – und von Steuereinnahmen

VON JAN ZIER

Es ist eine mitunter diffuse Angst, die die Menschen in der Samtgemeinde Hagen gerade umtreibt. Es geht dann um ein „neues Atomdorf“, zerstörte Existenzen, radioaktiv verseuchte Lebensmittel, Wiesen und Felder, ja, um ein mögliches atomares Zwischenlager vor ihrer Haustüre. Und es geht um den Eon-Konzern, der keine 15 Kilometer entfernt von hier, in Esenshamm, an der Unterweser ein Atomkraftwerk (AKW) betreibt. Und der jetzt, mittels seiner Tochterfirma Dekonta allerlei radioaktive Wäsche waschen, dafür 15 Millionen Euro investieren will. Im Gewerbegebiet von Sandstedt, Landkreis Cuxhaven.

Acht Tonnen verstrahlte Schutzkleidung sollen hier dem Vernehmen nach künftig gewaschen werden, jede Woche. Doch das allein ist es nicht, was die Menschen hier beunruhigt, auf die Straße treibt. Denn in Reihen der neu gegründeten Bürgerinitiative (BI) kursiert seit einiger Zeit ein internes, anonym zugespieltes Schreiben aus dem Hause Dekonta. Man wolle bis 2015 weiter „Aquisition“ betrieben, heißt es darin, und „an einem zentralen Ort“ die eigenen Geschäftstätigkeiten „bündeln“, ja, „Teile aus kerntechnischen Anlagen“ lagern und vor allem dekontaminieren, seine Betriebsflächen weiter „ausdehnen“.

Bis zu 15 Tonnen Wäsche könnten demzufolge in den kommenden Jahren nach Sandstedt gelangen, dazu allerlei weiteres radioaktives Material, Atemschutzmasken etwa, dazu weitere Geräte aus kerntechnischen, aber auch medizinischen Laboren. Fünf radioaktive Transporte pro Woche sind fürs Erste geplant, später könnten es acht werden.

20.000 Quadratmeter an der A 27 sind dafür schon jetzt vorgesehen, und es könnten noch mehr werden, doch nur ein Bruchteil dessen wird zunächst auch bebaut. Der Rest soll Grünfläche bleiben, mit einem See darin, sagt Samtgemeindebürgermeisterin Sabine Puvogel (SPD). Doch auch hier wittern die 120 AktivistInnen der BI Verschleierungstaktik. „Niemand weiß, was Dekonta hier langfristig plant“, sagt Mitinitiatorin Femke Ohlmann, gleichwohl, nein, gerade deswegen werde man „die wahren Pläne“ der Dekonta enthüllen. Die Gemeinde verharmlose das Problem, überhaupt hätten die Kommunalpolitiker keine Ahnung, und mit den Kontrollen seien sie auch überfordert.

„Da wird viel Panik verbreitet“, antwortet Puvogel, und spricht von ihrer eigenen Sozialisation in Zeiten von Tschernobyl, davon, dass sie auch Kinder hier habe. Und sie erinnert an das Zwischenlager beim AKW Esenshamm, wo sich „kaum jemand aufgeregt“ habe. Das stimmt nicht ganz: Beim Eröterungsverfahren vor sieben Jahren wurden insgesamt 17.500 Einwendungen gezählt. Die Wäscherei, die in Sandstedt zur Debatte stehe, sagt Puvogel, sei jedenfalls eine prinzipiell „genehmigungsfähige“ Anlage. So sagen es die Gutachter. „Und zu mehr würde ich auch nicht ja sagen.“ Das sei rein technisch auch „gar nicht möglich“, schiebt sie nach, und auch nie ernsthaft debattiert worden. Nach aktuellem Stand wird kein radioaktiver Schrott geliefert, wird Dekonta-Projektleiter Frank Schäfers zitiert, schon gar keine Brennstäbe, wie einige in der BI fürchten. Ansonsten spricht Schäfers nicht mehr so gern mit der Presse über das Projekt. Auch Puvogel weiß nach eigenen Angaben nicht, was der Investor für die Zukunft plant.

Offiziellen Angaben zufolge sollen in der Anlage 0,002 Becquerel pro Kubikmeter Luft emittiert werden, dazu zwei Becquerel pro Liter Wasser. „Das liegt deutlich unter den Grenzwerten“, sagt Puvogel. „Davon geht keine Gefahr für die Bevölkerung aus.“ Und auch Dekonta selbst betont das. In Milch und Säuglingsnahrung sind 370 Becquerel pro Liter zugelassen, in anderen Lebensmittel sogar 600 Becquerel pro Kilogramm oder Liter.

Doch jede zusätzliche Belastung könne sich negativ auswirken, sagt der Physiker Wolfgang Neumann, auch wenn das Gefahrenpotenzial der Dekonata-Anlage bei weitem nicht mit jenem des Atommeilers zu vergleichen sei. „Radioaktivität bedeutet eine besondere und schwer einzuschätzende Gefahr“, sagt Ohlmann. Und dass der Betrieb die Existenzen der Anwohner zerstöre: „Ihre Häuser wären dann nicht mehr zu verkaufen“ – wegen der Gesundheitsgefährdung – vor Ort leben würden die Menschen aber auch nicht mehr wollen. Vom „unvergleichlichen Imageschaden“ ganz zu schweigen: „Wir wollen nicht der Dumme sein, der endlich gefunden wurde, der der ganzen Nation ihren verstrahlten Schrott abnimmt“. Puvogel spricht lieber von Baumwoll-Overalls, von Sachen, „die Menschen getragen haben“.

Am Ende geht es aber auch noch um etwas anderes: „Was mich bewogen hat, dem Projekt positiv gegenüber zu stehen“, sagt Puvogel, das sind ganz schlicht die erhofften Steuereinnahmen: Es geht um 40.000 bis 60.000 Euro, jährlich, pro geschaffenem Arbeitsplatz. 30 neue Jobs hat Dekonta versprochen, später könnten es auch 50 werden. Eine Menge Geld, vor allem in einer strukturschwachen Region wie dem Landkreis Cuxhaven. Zwar hatte Dekonta auch mal den Standort Bremen erwogen. Doch dann kam die Bürgerschaftswahl, und mir ihr Rot-Grün, das Aus schon für ein geplantes Kohlekraftwerk. Also hat sich die Eon-Tochter nach einem neuen Standort umgesehen.