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Elbphilharmonie aus dem Takt

Das ambitionierte Konzerthaus wird ein Jahr später fertig, als ursprünglich geplant. Dadurch entstehen Mehrkosten, von denen nicht klar ist, wie hoch sie sind, und wer sie übernehmen wird

VON KLAUS IRLER

Während der vergangenen Wochen hat Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) viel über die Elbphilharmonie nachgedacht, und es waren zunehmend düstere Gedanken, die sich da in ihren Kopf drängten. Anfang Mai ließ sie der Bauherr des Projekts, die Firma Hochtief, wissen, dass sie die Elbphilharmonie nicht zum vereinbarten Termin fertig bauen könne. Die Frage war nun, ob die Verzögerung den Eröffnungstermin des Prestigeprojekts zum Kippen bringen würde – oder ob sich nicht doch irgendwie am Zeitplan festhalten ließe.

Nach und nach wurde von Welck klar, dass die Planung zu eng gestrickt ist. Langsam kristallisierte sich heraus, dass die Kultursenatorin nicht daran vorbeikommen würde, Konsequenzen zu ziehen. Am Dienstag teilte eine sichtlich nervöse von Welck mit: „Die Elbphilharmonie wird den Spielbetrieb erst zur Saison 2011 / 2012 aufnehmen.“ Ursprünglich sollte das Haus ein Jahr früher, im Herbst 2010, eröffnet werden.

Durch die Planänderung entstehen Mehrkosten, die sich in Schwindel erregenden Höhen befinden dürften: Die 45 Wohnungen im Westteil, das Fünf-Sterne-Hotel im Ostteil, die Gastronomie, das Eröffnungsfestival, aus allem wird nichts zum vereinbarten Zeitpunkt, was Einnahmeausfälle und Konventionalstrafen bedeuten wird. Auf der Baustelle gibt es derzeit einen Terminverzug von vier Monaten. Auf die Frage, warum sie den Zeitplan nicht von vornherein vorsichtiger gestaltet habe, sagte von Welck philosophisch: „Das hat mit uns Menschen zu tun. Wir wollen eben immer das Beste.“

Wie hoch die Mehrkosten ausfallen werden, wird erst im September feststehen. Ebenfalls erst im September wird klar sein, „ob und in welchem Umfang“ die Mehrkosten von der Stadt finanziert werden. Von Welck sagt, sie könne momentan nicht beantworten, wer Schuld an der Verzögerung habe. Die Schuldfrage und die Frage, wer die Mehrkosten zahlt, solle bis September in einem „intensiven Verhandlungsmarathon“ zwischen der städtischen Realisierungsgesellschaft (Rege) und Hochtief geklärt werden. Unglücklich war es da, dass sich der Rege-Chefkoordinator Hartmut Wegener am Dienstag nicht den Fragen der Journalisten stellen konnte: Er weile in Griechenland, hieß es.

Dafür werde sich Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bei den Verhandlungen mit Hochtief einschalten, sagte von Welck. Außerdem darf sich die Kultursenatorin freuen über die Treue des Elbphilharmonie-Generalintendanten Christoph Lieben-Seutter, der nicht müde wurde zu betonen, dass die Entscheidung für den späteren Eröffnungstermin noch rechtzeitig gekommen sei. Verträge für die Eröffnungskonzerte habe er noch keine geschlossen und viele der beteiligten Orchester hätten ohnehin mit einer Verzögerung gerechnet.

Nicht ganz so locker wollte den Vorgang die Opposition sehen. Erst Ende März war bekannt geworden, dass die Elbphilharmonie auch ohne verzögerten Start um voraussichtlich 20 Millionen Euro teuerer wird als geplant – nun drohe der Akzeptanz des Projekts in der Bevölkerung mit jeder Kostensteigerung weiterer Schaden, sagte die SPD-Kulturpolitikerin Christel Oldenburg. Für SPD-Fraktionschef Michael Neumann „zeigt sich von Welck überfordert“. Die Betriebsaufnahme zur Spielzeit 2011 / 2012 sei höchst fraglich, wenn sich die Entwicklung so fortsetze.

Norbert Hackbusch von der Linken sagte: „Nun steht fest, dass der gesamte finanzielle Rahmen ins Rutschen gekommen ist.“ Er sprach von einer „Bankrotterklärung“ des Senats.

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