: Nordseedörfer Solarmeister
Dithmarscher Gemeinden produzieren pro Kopf am meisten Sonnenstrom. Bisher dominierte Süddeutschland. Schmuddelwetter wird überschätzt. Der Clou sind Dächer, die dem Tageslauf folgen
VON ESTHER GEISSLINGER
Der Dithmarscher Ort Frestedt ist deutscher Solarvizemeister geworden. In der Disziplin Solarstrom setzte sich er sich zusammen mit den Gemeinden Kaiser-Wilhelm-Koog und Kronprinzenkoog sogar an die Spitze – vor die süddeutschen Gemeinden, die in den vergangenen Jahren dominierten. Der Wettbewerb wird von der Fachzeitschrift Solarthemen ausgelobt. In diesem Jahr beteiligten sich 1.221 Kommunen – und Schleswig-Holstein ist ganz vorn dabei. Gesamtsieger wurde Rettenbach am Auerberg in Bayern.
Nein, ein Kneipenscherz sei es nie gewesen, erklärt Andreas Witt: Bei einer Messe kam er zusammen mit anderen Besuchern auf die Idee mit der Solarbundesliga, und Witt, Mitherausgeber der Fachzeitung „Solarthemen“, setzte sie um. 2001 fand der Wettbewerb der Gemeinden um den Titel des „Solarmeisters“ erstmals statt. Geprüft wird, welche Orte, gemessen an ihrer Einwohnerzahl, die meisten Photovoltaik- und Solaranlagen haben und die höchsten Erträge aus Sonnenstrom erzeugen.
Zum Erfolg der Schleswig-Holsteiner trägt bei, dass es im ländlichen Raum genug Platz auf Scheunendächern gibt, um Anlagen aufzustellen. „Und wer im Norden lebt, unterschätzt, wie viel Sonne es da gibt“, sagt Witt. Die Statistiken zeigen, dass das Schmuddelwetter eher eine gefühlte Größe ist: Klare Tage sorgen sogar im Winter für gute Erträge. Besser als Schleswig-Holstein sind nur die Bayern. Erst auf Platz zehn steht ein Ort aus einem anderen Bundesland: Heckhuscheid in Rheinland-Pfalz.
„In der Branche ist die Solarbundesliga inzwischen bekannt, auch viele Gemeinden kennen sie“, sagt Witt. Einige Orte werben sogar mit dem Titel, etwa der Dauersieger Rettenbach.
Die Solarbundesliga ist ein Kampf der Käffer: Da die Kilowattzahlen pro Einwohner berechnet werden, reicht in einem Dorf mit wenigen hundert Menschen eine Handvoll Solarfans aus. „Und wenn es in einem kleinen Ort drei oder vier Leute sind, ziehen die die anderen mit“, sagt Witt. Rund zehn Frestedter haben Solar auf den Dächern, das macht für jeden der 386 Menschen im Ort 1,9 Kilowatt.
Jens Rohde trug wesentlich dazu bei, den Titel für Frestedt zu holen. Der Landwirt baute 2004 die ersten Anlagen, andere schlossen sich an. „Das war damals ja noch neu“, sagt er, aber Probleme habe er im Ort nicht gehabt. Inzwischen planen weitere Nachbarn, Photovoltaikanlagen zu bauen.
„Wir haben Glück, dass die Dächer nach Süden ausgerichtet sind“, sagt Rohde. Seine Anlagen sind ein Stück weiter: Er hat in „Sündreyer“-Technik investiert. Die „Sonnendreher“ sind runde Hallen, deren mit Photovoltaik-Modulen besetzten Dächer dem Sonnenstand folgen. Das bedeutet ein Energieplus von rund 25 Prozent, so Hans-Herbert Röh, Erfinder und Produzent der Sündreyer. Die Firma sitzt in Treia bei Schleswig. Sie liefert bundesweit – aber zurzeit vor allem in die Nachbarschaft.
Die Technik ist nicht billig, sagt Rohde, aber für ihn lohnt sich das Geschäft mit der Sonne: Der Strom, den er in die Netze einspeist, wird nach alten Konditionen vergütet, auch wenn der Preis in den kommenden Jahren fällt.
Die Herstellungskosten für Sonnenzellen und -kollektoren sind in den vergangenen Jahren gesunken, dennoch sind die Investitionskosten immer noch hoch. Fraglich sei, wie sich die Preise in Zukunft entwickeln, sagt der Fachautor Andreas Witt: „Einige meinen, wenn die Einspeisevergütung sinkt, müssten die Anlagenpreise gleichzeitig sinken. Andere sind da skeptischer.“
In diesem Jahr werde die Zahl der Anlagen vermutlich deutlich steigen. Denn wer 2008 ans Netz geht, behält die heute gültigen Konditionen. „Mal sehen, was das für die Solarbundesliga 2009 bedeutet“, sagt Witt.
Die Frestedter nehmen ihren Titel eher gelassen zur Kenntnis, sagt Jens Rohde. Ein Dorffest wird nicht veranstaltet. Auch auf der Internet-Präsentation der Gemeinde fehlt der Hinweis auf den Sieg. Im September findet die Preisverleihung statt – in Bayern. Da, meint der Dithmarscher, werde wohl schon ein wenig gefeiert.