: SCHWEIZERISCH FÜR ANFÄNGER
Der große Kanton
Während am Samstagabend neben den siegreichen Portugiesen auch die Türken frenetisch durch die Schweizer Innenstädte automobilisierten und, eine totale Neuheit dieses Jahr, gar die Italiener gleichentags sich prophylaktisch für ihr erstes Spiel am Montag einhupten, verhält sich der Deutsche in der Schweiz bereits so schweizerisch, wie es nicht mal der Schweizer mehr tut: Sich im Dunkeln allein wähnend, versuchte am Sonntagabend ein junger Mann an seinem Fensterladen verstohlen eine klitzekleine Deutschlandfahne zu befestigen. Und ich, beeindruckt vom Spiel gegen Polen, wollte ihm eigentlich spontan von der Straße aus zum Sieg gratulieren, getraute mich aber, urschweizerisch, doch nicht, weil ich nicht wusste, wie ich das unmissverständlich ironiefrei hätte machen können. Der Schweizer will nicht falsch verstanden werden. Was zuweilen zu seiner Steifigkeit führt, die man im „großen Kanton“ (Minderwertigkeitskomplex-schweizerisch für Deutschland) so lustig findet. RUEDI WIDMER