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Archiv-Artikel

Gefährliches Tempo

Zahlen aus Hamburg deuten darauf hin, dass eingeführte Tempo-60-Zonen den Verkehr gefährlicher gemacht haben. Die Interpretation ist allerdings schwierig. Der Verkehrsclub VCD spricht derweil von einem Feldversuch der Schnellfahrer-Lobby

VON GERNOT KNÖDLER

Nachdem partiell Tempo 60 eingeführt wurde, sind die Unfallzahlen auf einigen Hamburger Straßen gestiegen. Die SPD-Opposition sieht einen kausalen Zusammenhang und fordert den Senat auf, das Tempolimit wieder auf 50 zu senken. Die mit den Grünen (GAL) regierende CDU möchte auf weiteren Straßen 60 Stundenkilometer erlauben.

Die Zahlen aus der Antwort auf ein parlamentarische Anfrage der SPD erstrecken sich auf den Zeitraum von 2002 – dem ersten Jahr des CDU-Senats – bis 2007. Am eklatantesten sind sie für den Hamburger Abschnitt der B 73 Hamburg - Cuxhaven. 2002 zählte die Polizei dort rund 560 Verkehrsunfälle, 2004, als die CDU Tempo dort 60 einführte, waren es 650, im vergangenen Jahr 750.

„Es ist eine Tendenz sichtbar“, sagt die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Timmermann. „Es ist zu vermuten, dass diese mit der Tempoerhöhung zu tun hat.“ Es sei ein Fehler gewesen, das Tempolimit zu erhöhen, „weil es hier um Menschen geht, die zu Schaden kommen“. Insbesondere dürfe nicht, wie von der CDU geplant, auf weiteren Straßen Tempo 60 eingeführt werden.

Das höhere Tempolimit war eine Folge des Wahlkampfes von 2001, den die CDU nicht zuletzt mit verkehrspolitischen Parolen führte. Tempo 60 sollte den Verkehrsfluss verbessern und beschleunigen – „unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Unfallbekämpfung auf Hamburgs Straßen“, wie es in einem Antrag der Fraktion heißt. Auf fünf Hauptverkehrsstraßen ließ der Senat in den Jahren 2002, 2004 und 2006 Tempo-60-Schilder aufstellen.

Der Trend der 2003 und 2004 frei gegebenen Straßen weist steigende Unfallzahlen aus. Das geht allerdings nicht einher mit einem wachsenden Trend bei der Unfallursache „Geschwindigkeit“. Weil nur sechs Jahre betrachtet werden, ist die Aussagekraft des Trends überdies gering.

„Wir vermuten andere Ursachen“, sagt Ralf Kunz von der Polizei. Aufgrund von Baustellen anderswo sei der Verkehr auf einigen der betroffenen Straßen gestiegen. Die Unfallzahlen schwankten im allgemeinen stark von Jahr zu Jahr. „Wenn wir feststellen, dass es vermehrt Unfälle aufgrund der Geschwindigkeit gibt, werden wir selbst tätig“, versichert der Polizeisprecher. Die Polizei müsse auch dafür sorgen, dass der Verkehr gut fließe.

„Der Schluss, der hier gezogen wird, ist mit dieser Datengrundlage nicht belegbar“, sagt Klaus-Peter Hesse von der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Um klarer zu sehen, müssten die einzelnen Unfälle untersucht werden. Im übrigen sei es „auch für die CDU eine absolute Bedingung, dass es dort, wo wir Tempo 60 einführen, nicht zu einer erhöhten Verkehrsunsicherheit kommt“.

Auch Martina Gregersen von der GAL sagt: „Jetzt müssen wir uns die einzelnen Zahlen sehr genau ansehen und analysieren.“ In den Koalitionsverhandlungen mit der CDU hat die GAL vereinbart, auf der B 73 wieder Tempo 50 einzuführen.

Gerd Lottsiepen, Sprecher des alternativen Verkehrsclubs VCD, erinnert daran, dass die Reaktionszeiten für Autofahrer sich drastisch verkürzen, je schneller sie unterwegs sind und dass die Folgen eines Unfalls dramatischer ausfallen. Lottsiepen sieht die Beschleunigungspolitik mit großer Skepsis: „Man könnte sagen, dass die Hamburger für einen Feldversuch der Schnellfahrer-Lobby missbraucht werden.“