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Archiv-Artikel

„Mehr Verhandlungsdynamik als zuvor“

Auf der Frühjahrstagung der Weltklimakonferenz in Bonn diskutierte zwei Wochen lang die Klimadiplomatie

CHRISTOPH BALS ist Geschäftsführer der Nord-Süd-Initiative Germanwatch und leitet dort die Abteilung „Klimaschutz“.

taz: Herr Bals, gestern ging die Frühjahrstagung der Weltklimakonferenz zu Ende. Sie waren Beobachter: Was kam raus?

Christoph Bals: Die Weltklima-Diplomatie befindet sich im Moment in einer Phase, in der die Staaten Vorschläge für ein Post-Kioto-Regime unterbreiten. Bis Ende des Jahres werden diese in einen Verhandlungstext gegossen, um dann Ende nächsten Jahres daraus das Kioto-Nachfolge-Abkommen machen zu können.

Worum ging es konkret?

In Bonn ging es vor allem um Finanzierungsvorschläge für den Technologietransfer, den Waldschutz und die Anpassungsmaßnahmen für den Klimawandel. Dafür sind nach Ansicht von Experten mindestens 120 Milliarden Euro jährlich notwendig.

Wie sollen die aufgebracht werden?

Norwegen, Mexiko und die Schweiz haben interessante Modelle eingebracht. Nach den Vorschlägen Mexikos müssen alle Länder in einen Fonds einzahlen. Die Höhe der Beträge leitet sich aus der Höhe des Bruttoinlandsprodukts und dem Pro-Kopf-Kohlendioxid-Ausstoß ab – je mehr, desto größer der Obulus, der fällig wird. Der Clou am System ist eine Freigrenze von 1,5 Tonnen pro Kopf: Länder, die pro Kopf weniger Kohlendioxid produzieren, müssen nichts zahlen. Interessant ist das Modell auch, weil die Schwellenländer mit im Boot sind – zumindest die, die mehr als 1,5 Tonnen pro Kopf ausstoßen. Als Richtgröße: Jeder Deutsche verantwortet aktuell statistisch gesehen über zehn Tonnen pro Jahr. Jeder Inder nur 900 Kilogramm. Der Schweizer Vorschlag sieht ähnlich aus.

Und der norwegische?

Der sieht eine Art weltweites Emissions-Handelsregime vor. Demnach bekommen die Industriestaaten – im Kioto-Protokoll die sogenannten Annex-1-Staaten – ein Reduktionsziel vorgeschrieben und gleichzeitig Verschmutzungsrechte zugeteilt. Diese sind aber nur zum Teil kostenlos. Zum Beispiel Deutschland: 40 Prozent lautet das Reduktionsziel bis 2020, für 60 Prozent seiner Emissionen würde Deutschland also Zertifikate bekommen. Allerdings sind nur 55 Prozent kostenlos, für die restlichen fünf Prozent müsste die Bundesrepublik zahlen.

Der Bali-Prozess ist also auf gutem Weg?

Es war in den Verhandlungen in Bonn jedenfalls mehr Dynamik, als wir sie auf vorherigen Verhandlungen festgestellt haben. Man sieht aber auch, wie schwierig es werden wird, tatsächlich zu einem solch ambitionierten Abkommen zu gelangen, wie es für den Post-Kioto-Prozess erforderlich ist. Deshalb muss auf der Ebene der Regierungschefs erheblich mehr Druck gemacht werden.

INTERVIEW: NICK REIMER