Aufstand der Armen

Der RBB kämpft mit einem Rechtsgutachten weiter für einen höheren Anteil am Gebührenaufkommen der ARD

Der Streit um eine gerechtere Verteilung der Rundfunkgebühren in der ARD geht in eine neue Runde: Der von Gebührenausfällen wegen Hartz IV besonders gebeutelte Rundfunk Berlin-Brandenburg stellte gestern ein Rechtsgutachten vor, demzufolge er einen höheren Anteil am Gebührenaufkommen der ARD beanspruchen kann. „Ich kann nicht dabei zusehen, dass wir ARD-intern die Gebühren nach einem Mechanismus verteilen, der langfristig den mir anvertrauten Sender ruiniert“, gibt sich RBB-Intendantin Dagmar Reim kämpferisch. Das Rechtsgutachten des Speyerer Juristen Joachim Wieland schließt auch den Gang zum Bundesverfassungsgericht nicht aus. Diese Option werde der RBB aber nicht ziehen, sagt Reim, die auf eine ARD-interne Lösung setzt.

Dem RBB fehlen nach eigenen Angaben durch die Gebührenausfälle bis 2012 rund 54 Millionen Euro. Reim hatte daher im Mai das Aus für Radio Multikulti und das fürs Erste produzierte Zeitgeistmagazin „Polylux“ zum Jahresende angekündigt. Im taz-Interview vor drei Wochen hatte sie erklärt, die großen Sender der ARD „erhalten vom Gebührenkuchen schlicht zu viel. Und ich werbe und streite dafür, das zu ändern, was meine Intendantenkollegen nicht begeistern kann.“

Im Sendegebiet des RBB waren 2007 rund 14,5 Prozent aller Rundfunkgeräte von der Gebühr befreit. Der Bundesdurchschnitt liegt bei neun Prozent. Und auch die Prognosen sind trübe: Laut RBB wird diese Quote bis 2012 auf 18,8 Prozent bei Fernsehgeräten und 16,3 Prozent bei Radioempfängern steigen.

Die Rundfunkgebühr ist in Deutschland an die Geräte gekoppelt. Allerdings erhalten beim bisherigen Verteilungsmechanismus die einzelnen Anstalten ihre Gebührenanteile nach der Zahl der „ertragsfähigen“ Geräte; das heißt die Zahl der insgesamt angemeldeten, aber von der Gebühr befreiten Geräte wird nicht berücksichtigt.

Hier stellt das Gutachten „strukturelle Defizite innerhalb des Gebührenverteilsystems“ fest. Verfassungsrechtlich muss danach jede Landesrundfunkanstalt den Anteil am Gesamtgebührenaufkommen erhalten, der ihrem von der Gebührenkommission KEF geprüften und anerkannten Finanzbedarf entspricht. Dies sei bislang nicht der Fall und der RBB daher „strukturell unterfinanziert“.

Der RBB zielt mit dem Gutachten auf den jüngsten Auftrag der für Medienpolitik zuständigen Ministerpräsidenten der Länder an die KEF, bis Anfang Oktober 2008 konkrete Lösungsvorschläge für die Fragen der Gebührenzuordnung vorzulegen.

Die großen ARD-Anstalten WDR, NDR, SWR und BR hatten schon vor zwei Wochen Reims Vorstoß öffentlich abgelehnt und auf ihre umfangreichen Solidarleistungen für die ärmeren Sender verwiesen. So soll im RBB-Gebiet ab 2009 das WDR-Programm Funkhaus Europa Radio Multikulti ersetzen. Die RBB-Intendantin wies die Kritik gestern zurück: „Ich kann nicht verstehen, dass man mir jetzt vorwirft, die Politik eingeschaltet zu haben“, so Reim. Auch der MDR und der Hessische Rundfunk wären schließlich mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Dass der RBB bei den großen ARD-Mitgliedern „momentan nicht sonderlich beliebt“ sei, halte sie daher für „selbstverständlich“. STG