: Schmutzige Zumutung der Macht
betr.: „Eine Gefahr für die Bürgerrechte“ (R. Sotscheck), „Iren blockieren EU-Fortschritt“ (D. Weingärtner), taz vom 12. u. 14. 6. 08
Ralf Sotscheck beweist auch bei dem hochpolitischen Thema EU-Vertrag seine Extraklasse als taz-Korrespondent. In wunderbarer Klarheit zählt er alle Argumente auf, warum dem Vertrag nicht zuzustimmen ist. Seine Kolumne sollte an alle Haushalte in Deutschland, besser noch in der ganzen EU, verteilt werden.
Den Argumenten von Frau Weingärtner kann ich dagegen nicht folgen. Der „neoliberale Binnenmarkt“ bleibt uns doch in jedem Fall erhalten, er würde durch mehr Privatisierung sogar noch forciert. Welche „dringend nötigen Reformen“ müssen denn angepackt werden? Schnellerer Ausbau der Atomenergie vielleicht oder mehr schnelle Eingreiftruppen für die „bombengestützte Durchsetzung der Menschenrechte“ (Friedrich Küppersbusch) in aller Welt?
Zum Schluss flüchtet sich Frau Weingärtner in lauter Konjunktive und fantasiert eine linke Mehrheit ins EU-Parlament, die dann einen Kommissionspräsidenten wählt, der ausgerechnet die Sozialgesetzgebung in Schwung bringen würde. Dazu wird es weder mit noch ohne Lissabon-Vertrag kommen! Zu der Aufregung über das Nein das Iren passt das Wort von Karl Kraus: „Die schmutzige Zumutung der Macht an den Geist: Lüge für Wahrheit, Unrecht für Recht, Tollwut für Vernunft zu halten.“ Ich ergänze: den Lissabon-Vertrag für Fortschritt zu halten. EMMO FREY, Dachau