Fußballwelten im Abseits

Das Thema der DienstagsDoku im B-Movie sind diesen Monat „Fußballwelten“. Der Fan-Soziologe Dieter Bott spricht über nationalen Größenwahn, drei Dokus erzählen vom Kickern und Fans hinter der Glitzerfassade

Wie, so fragt sich mancher Fußballfreund, werde ich die spielfreien Tage in der nächsten Woche überstehen? Eine gute Antwort haben die politische Kino-Gruppe „DienstagsDoku“ und der Fanladen St. Pauli parat. Am Montag und Dienstag dreht sich im B-Movie und Fanladen nämlich alles um das runde Leder – allerdings abseits von nationalen Freudentaumel im beflaggten Personenkraftwagen und auf den Public-Viewing-Areas.

Am Montag hält der selbst ernannte Fan-Soziologe Dieter Bott – 1969 Mitbegründer des „Anti-Olympischen Komitees“ – einen Vortrag zum Thema „Der größte Scheiß vom Merchandise – Nationaler Größenwahn und Fußball-Klimbim zur Europameisterschaft am Beispiel der Bild-Zeitung u. a.“. Mitmachen und das Mitbringen von entsprechenden Gegenständen sind dabei ausdrücklich erwünscht.

Am Dienstagabend sind dann drei Dokumentarfilme aus den unterschiedlichsten Fußballwelten im B-Movie zu sehen. Zwei Filme nehmen dabei Fußballer in und aus Afrika in den Blick. „Black Starlets – Der Traum vom großen Fußball“ von Christoph Weber fragt, was aus den einstigen Helden des afrikanischen Fußballs 14 Jahre nach ihrem legendären Junioren-Fußball-Weltmeistertitel 1991 geworden ist. Damals holten elf Ghanaer im Alter von 16 Jahren überraschend den ersten WM-Titel für den Kontinent. Über Nacht wurden sie zur heißen Ware im Profifußball, Talentscouts fielen über die Wunderkinder her. Die brachen nach Europa auf, um ihren Traum von der großen Fußballwelt zu leben.

Ein Traum, der für die meisten nicht in Erfüllung ging. Für Nii Odartey Lamptey etwa, das „Jahrhunderttalent“ der „Black Starlets“. Kurz nachdem die brasilianische Fußballlegende Pelé den damals 14-Jährigen zum größten Spieler aller Zeiten gekürt hat, schmuggelt ein belgischer Club den Minderjährigen illegal nach Europa und nimmt ihn unter Vertrag. Doch die Karriere des jüngsten Profifußballers aller Zeiten dauert nicht lange. Abhängig von geldgierigen Beratern und psychisch nach dem Tod seiner Kinder angeschlagen, wechselt er quer durch Europa ständig den Verein, wird den hohen Erwartungen aber nicht mehr gerecht. Mit Mitte 20 ist Lamptey am Ende seiner Karriere.

Auch „Sold Out – Von der Straße ins Stadion“ nimmt sich des afrikanischen Fußballnachwuchses an. Denn nicht nur in Ghana ist der große Traum vieler Jungen, Profi-Fußballer in Europa zu werden. Ein Traum, hinter dem zumeist die ganze Familie steht. Vom ohnehin wenigen Geld die nötige Menge für Fußballschuhe abzuzweigen: ein kollektiver Kraftakt. „Sold Out“ erzählt anhand der Geschichten vierer Fußballer vom Erwartungsdruck, den Hoffnungen und den Schwierigkeiten, denen zwei von ihnen in Europa begegnet sind. Einer der Jungen ist der 12-jährige Farid, auf dessen schmalen Schultern der Druck lastet, seine 12-köpfige Familie zu ernähren. Auch vom 15-jährigen Farouk wird viel erwartet, er ist der einzige Fußballspieler in seiner Familie. Vereinspräsident Abu hat versprochen zu helfen – im Gegenzug erhält er die gesamten Rechte an Farouk, ist in alle künftigen Verhandlungen einbezogen. Der 17-jährige Nigerianer Monday hat es bereits „geschafft“. Ein Fußballagent hat ihn nach Belgien gebracht, wo er in einer Genter Mannschaft spielt. Offiziell angemeldet hat die ihren Spieler nicht, nutzt den illegalen Aufenthaltsstatus schamlos aus und zahlt ihm keinen Lohn.

Den Abschluss macht dann ein Film über die leidenschaftlich engagierten Anhänger des FC St. Pauli. „Pech und Schwefel – Mehr als Fußball auf St. Pauli“ erzählt von Menschen, für die der sportliche Gewinn noch lange nicht reicht. Im Umfeld des Vereins ermöglichen sie sich und anderen ein Stück Gegenkultur.

ROBERT MATTHIES

Vortrag: Mo, 23.6., 19 Uhr, Fanladen St. Pauli, Brigittenstraße 3 Filme: Di, 24.6., 19.30 Uhr, B-Movie, Brigittenstraße 5