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Archiv-Artikel

Umweltschützer: Atomlobby googelt mit

Der Bund für Umwelt und Naturschutz kritisiert, dass seine Anti-Atomkraft-Seiten im Internet kaum noch zu finden sind

FREIBURG taz ■ Bis vor kurzem waren die Internetseiten des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, im Internet gut zu finden. Gab man in der Suchmaschine Google den Namen eines Atomkraftwerks ein, so landete man recht schnell auf einer der Seiten des BUND-Regionalverbandes Südlicher Oberrhein. Doch das ist jetzt vorbei: Google ignoriert plötzlich die Seiten.

Axel Mayer, Geschäftsführer des BUND in Freiburg, findet den Zeitpunkt bemerkenswert: „Seit in der Schweiz letzte Woche ein Antrag auf ein neues AKW gestellt wurde, sind unsere kritischen Atom-Seiten bei Google nicht mehr zu finden.“ Die Umweltschützer haben im Dreiländereck nicht nur zu den deutschen Atomkraftwerken, sondern auch zu den grenznahen Meilern in der Schweiz und in Frankreich Informationen zusammengetragen. Mit Erfolg.

Die Seiten des regionalen BUND-Ablegers wurden in den letzten Monaten täglich gut 1.500-mal aufgerufen. Die meisten Besucher kamen über die größte Suchmaschine im Internet, über Google. Doch plötzlich sind dort die Seiten, die unter www.bund-freiburg.de abgelegt sind, nicht mehr zu finden. Und so sind die Zugriffszahlen auf die Anti-Akw-Seiten in den letzten Tagen prompt eingebrochen.

Mayer ist kein Verschwörungstheoretiker, er glaubt auch nicht an eine Manipulation durch Google. Er hat einen anderen Zusammenhang entdeckt: Google präsentiert die BUND-Seiten nicht mehr, seit sie im interaktiven Web-Lexikon Wikipedia in einer Spam-Liste auftauchen.

Nun gibt Google selbst keine Auskunft darüber, nach welchen Algorithmen die Suchmaschine die Treffer sortiert. Doch für Mayer ist klar, dass Google die Spam-Liste von Wikipedia auswertet – und ignoriert, was dort gelistet ist.

Mayer ist sich sicher, dass die Atomlobby es geschafft hat, alle Links zu den Anti-AKW-Seiten des BUND auf die schwarze Liste zu bringen. Diese Liste wurde eigentlich für allzu werbliche oder auch politisch radikale Seiten geschaffen. Mayers Indiz: Unverfängliche Links des BUND sind bei Wikipedia stehen geblieben – etwa solche zum Bau von Nistkästen.

Zudem sind im Forum von Wikipedia Beiträge abgelegt, in denen die Atomkritik des BUND als „Hetze“ betitelt wird. „Eine kleine Gruppe von AKW-Befürwortern dominiert und bestimmt die Debatte auf den Wiki-Diskussionsseiten“, sagt Mayer.

Es wäre nicht der erste Fall solcher Einflussnahme: Focus-Online berichtete im vergangenen Sommer, dass der Wikipedia-Artikel über den Reaktor Biblis von einem Rechner des Biblis-Betreibers RWE um Sätze ergänzt wurde wie diesen: „Das Kraftwerk Biblis ist ein Meilenstein in puncto Sicherheit.“ Die Kerntechnische Gesellschaft e. V. (KTG) bietet auch Schulungen im Umgang mit Wikipedia an. So gab es auf der Tagung der KTG-Fachgruppe „Nutzen der Kerntechnik“ im April letzten Jahres Vorträge zu: „Wikipedia. Öffentlichkeitsarbeit und Arbeit an Schulen“.

Axel Mayer hofft darauf, dass seine Internetseiten bald von der schwarzen Liste verschwinden und fortan wieder per Suchmaschine zu finden sind. Er hat sich bereits an das Wikipedia-Schiedsgericht gewandt, nachdem er die Debatte um seine Seiten in den Foren bisher nur als Zuschauer verfolgte.

Der Anti-Atomkraft-Szene rät er unterdessen, stärker darauf zu achten, wie die Atomlobby ihre Interessen im Internet verteidigt. Das Problem nämlich hätten „viele Atomkraftgegner noch gar nicht erkannt“.

BERNWARD JANZING