ausgehen und rumstehen : In Katar
Ist doch interessant – da geht man in Berlin aus und steht dann letztlich in Doha, im Emirat Katar, rum. Zumindest führen alle Wege dorthin. So berichtete jedenfalls am Freitagabend die ganz und gar reizende Jacqui Soliman, ihres Zeichens „Worldwide Press Coordinator“ von „Agent Provocateur“, dass die britische Wäschefirma ihre Politaktionen – etwa gegen den Irakkrieg oder für anwaltliche Hilfe für Guantanámo-Häftlinge – selbstverständlich auch in ihrer Filiale in Doha in Katar durchziehe.
„Doha, oh ha“, dachte ich und wäre fast von meinem zierlichen Stühlchen gefallen, auf dem ich rumsaß in der „Agent Provocateur“-Boutique im 1. Stock der Galeries Lafayettes und auf die Schau wartete. Schließlich sieht Politik bei Joe Corre so aus, dass auf einem sonst durchsichtigen Slip nur die anzügliche Stickerei, hier sei der einzig akzeptable Bush zu finden, den Durchblick auf ebendarauf verhindert. Vielleicht nicht allzu verwunderlich, wenn man erfährt, dass Joe Corre, der 1994 das Label gründete, das den Wäschemarkt revolutinieren sollte, aus der Verbindung von Vivienne Westwood und Malcolm McLaren stammt.
Vielleicht ging mir dieses „Doha, oh ha“ auch deshalb durch den Kopf, weil ich gerade dort war. Zumindest in der klitzekleinen Botschaft, die die absolute Monarchie in Berlin unterhält. Seine Exzellenz Saleh Mohamed Al-Nesef, der Botschafter, und Abdulla Al Najja, Chief Excutive Officer der Qatar Museums Authority, hatten zu einer klitzekleinen Präsentation über das klitzekleine Museum of Islamic Art des amerikanischen Stararchitekten chinesischer Herkunft, I. M. Pei eingeladen, das am 22. November in Doha eröffnen wird. Klitzeklein natürlich nur im Vergleich zu dem, was die benachbarten Scheichs in Dubai oder Abu Dhabi so in die Wüste setzen, an höchsten Bürotürmen, bizarrsten Vergnügungsparks und größen Shopping Malls der Welt.
Obwohl sich die Kataris von der Rekordmanie ihrer Nachbarn unbeeindruckt zeigen, der neueste Modevirus hat auch sie befallen. Vielleicht waren sie sogar sein ursprünglicher Wirt. Denn sie versprachen sich zuerst Prestige aus der Beschäftigung mit Kultur. Statt nach teuren Yachten, Uhren oder Rennwagen begann Saud al-Thani, der Cousin des Monarchen, in aller Welt nach islamischer Kunst zu fahnden. Das war etwa zu der Zeit, als Joe Corre auf die Suche nach der ultimativen Unterwäsche ging. Was Saud al-Thani auf seiner erfolgreichen Jagd – aufgrund der ausgegebenen Summen wurde er zeitweilig zu Hausarrest verdonnert – zusammentrug, kann islamistische Fundamentalisten nicht beruhigen. Figürliche Darstellungen auch unverschleierter, gar nackter Frauen erklären beispielweise eher, warum auch „Agent Provocateur“ in Katar zum Zug kommt und damit der wahre Reiz der Reizwörter Menschenrechte und Sex.
Der wahre Reiz heißt Transparenz – wie dann auf dem Laufsteg bei Lafayette zu sehen war. Er heißt kluge Anzüglichkeit, sei es in ästhetischer, sei es in politischer Hinsicht. Bei Lafayette beließ man es dieses Mal bei Ersterem. Und wie ich so dasaß und die Models mit ihren prachtvollen Körpern und Outfits bestaunte, fiel mir mein letztes, ganz privates Ausgehen und Rumstehen ein, wo sich Werner Encke in „Henker Tom“, einem Kurzfilm von Klaus Lemke aus dem Jahr 1966, bei seiner Model-Freundin darüber beklagte, dass sie nichts anderes im Sinn habe, als „schön anziehen und weggehen“. „Immer nur schön anziehen und weggehen“, wie er sagt. Es waren in diesem Satz nicht nur eine, sondern zwei Vorsilben falsch, ging mir jetzt auf. Richtig hieß das doch, „schön ausziehen und ausgehen“. BRIGITTE WERNEBURG