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Archiv-Artikel

Die stille Siegerin im Dresdner Rathaus

„Ein neues Kapitel für Dresden“ hatten CDU-Wahlplakate in Orange zunächst angekündigt. Erst nach und nach wurde die einfarbige Fläche durch ein Porträt abgelöst. Ein nettes Gesicht wie aus der Puppenstube versprach nun dieses neue Kapitel lächelnd: Helma Orosz, bisher Sozialministerin in Sachsen. Am Sonntag wurde sie zur Oberbürgermeisterin gewählt.

So neu ist das Kapitel indes nicht, das sie aufschlagen will. Es handelt sich um die Wiedereroberung des strategisch wichtigen OB-Sessels in der Landeshauptstadt für die CDU. Ein rot-grün-unterstütztes Bürgerbündnis hatte 2001 den FDP-Kandidaten Ingolf Roßberg ins Amt gebracht, von dem er wegen eines Gerichtsverfahrens allerdings in den letzten zwei Jahren suspendiert war.

Kanzlerin Merkel reiste vier Tage vor dem zweiten Wahlgang extra an und beschwor das Chaos in Dresden herauf, wenn Orosz nicht Oberbürgermeisterin werde. Die kündigte an, die „Hängepartie“ in Dresden zu beenden, wo nur viel geredet, aber nichts entschieden werde. Es gab Pfiffe und Buhrufe derjenigen, die gegen die drohende Aberkennung des Welterbetitels bei Weiterbau der Waldschlösschenbrücke protestierten. Eine Oberbürgermeisterin aller Dresdner will Orosz sein und spaltet doch die ohnehin schon polarisierte Bürgerschaft weiter. Dennoch hat sie ihr Ziel im zweiten Wahlgang mit 64 Prozent der Stimmen erreicht.Ein Anti-CDU-Wahlbündnis wie vor sieben Jahren kam diesmal nicht zustande.

Ihre Fans sitzen vor allem in den eingemeindeten Dörfern rings um Dresden. Am Wahlkampf kann das gute Abschneiden von Orosz kaum gelegen haben. Die Sozialministerin ging auf Kandidatenpodien meistens unter und flüchtete sich oft in Sprechblasen. Begeistert soll sie nicht gewesen sein, als sie der inzwischen zurückgetretene Ministerpräsident Georg Milbradt in den Dresdner Wahlkampf schickte.

Doch Erfahrungen als Stadtregentin bringt die gelernte Krippenerzieherin bereits mit. Nach ihren Funktionen als Sozialdezernentin im Lausitzkreis war sie zwei Jahre Oberbürgermeisterin von Weißwasser, bevor sie Milbradt ins Kabinett holte. Im eigenen Haus als kompetent geachtet, holte sie nur die Opposition gelegentlich auf den Boden der sozialen Wirklichkeit zurück. Einen Neuanfang verspricht Orosz nun. Doch ihre Aufgabe im komplizierten und streitsüchtigen Dresden wird kompliziert. Denn auch mit ihrem Amtsantritt dürften sich zwei Dinge nicht ändern: Die starke Einflussnahme der Staatsregierung auf das Dresdner Rathaus und die gegenseitige Blockade von Oberbürgermeister und Stadtrat mit seiner linksgrünen Mehrheit. MICHAEL BARTSCH