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Archiv-Artikel

Innenministerium: Schnelle Lösung für Iraker

Bundesregierung will irakische Flüchtlinge schon vor gemeinsamem EU-Beschluss nach Deutschland holen

BERLIN taz ■ Deutschland will nicht auf Europa warten. Innenstaatssekretär Peter Altmaier (CDU) kündigte gestern an, dass die Bundesrepublik schon vor einem EU-Beschluss ein größeres Kontingent irakischer Flüchtlinge aufnehmen wird. Über deren Zahl und Status will der Bund nun mit den Innenministern der Länder verhandeln. Gedacht sei überwiegend an Angehörige der christlichen Minderheit. Es sei schließlich nicht naheliegend, dass Deutschland vor allem muslimische Flüchtlinge aufnehme und die christlichen Flüchtlinge in der Türkei oder Syrien unterkommen müssten.

Derzeit sind wegen der bürgerkriegsähnlichen Situation 2,2 Millionen Iraker in Nachbarländer geflohen, 800.000 gehören religiösen Minderheiten an. Wie viele Flüchtlinge Deutschland letztlich aufnehmen will, ließ Altmaier offen. „Jede Nennung von Zahlen wäre kontraproduktiv“, sagte er beim 9. Symposium zum Flüchtlingsschutz in Berlin.

Der Innenstaatssekretär sprach sich dafür aus, den aufgenommenen Flüchtlingen eine zunächst nur dreijährige Aufenthaltsgenehmigung zu geben. Man solle „pragmatisch“ vorgehen, mahnte Altmaier mit Blick auf die angeblich zögerlichen Länder. Damit erntete er auch Widerspruch: „Schleswig-Holstein ist durchaus bereit, den Irakern eine unbefristete Niederlassungserlaubnis zu geben“, erklärte Norbert Scharbach, zuständiger Abteilungsleiter im Kieler Innenministerium.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte Anfang Juni beim EU-Rat eine gemeinsame Initiative zur Aufnahme von irakischen Flüchtlingen vorgeschlagen, über die endgültig aber wohl erst im Herbst entschieden wird.

Um die deutsche Großzügigkeit zu betonen, verwies Altmaier auf die stark gestiegene Anerkennungsquote für irakische Flüchtlinge. Im zweiten Halbjahr 2007 habe sie bei 85 Prozent gelegen. Bei christlichen Irakern, die nicht aus dem sicheren Norden stammen, werde inzwischen ohne Einzelprüfung von einer Gruppenverfolgung ausgegangen. Deutschland habe 2007 rund 5.700 irakischen Flüchtlingen Asyl oder Abschiebeschutz gewährt. „Das sind weit mehr Personen, als manch anderer Staat als Kontingent ins Land holt“, betonte Altmaier.

Doch Altmaiers wohlklingende Zahlen haben ein großes Manko. Nach Angaben von amnesty international sind mehr als zwei Drittel der im Jahr 2007 anerkannten Iraker gar nicht frisch nach Deutschland geflohen. Sie leben schon länger hier und waren bereits als Flüchtlinge anerkannt, doch dann hat ihnen Deutschland – mit Blick auf den Sturz Saddam Husseins – den Asylstatus wieder aberkannt. In den letzten Jahren widerrief das Bundesamt für Migration in 20.000 Fällen die Asylanerkennung. Nur weil Deutschland – als einziger EU-Staat – dies tat und die Betroffenen jetzt Asyl-Folgeanträge stellen, kommt es überhaupt zu den von Altmaier genannten hohen Zahlen von Neu-Anerkennungen.

Generös gab Altmaier gestern zudem bekannt, dass das Bundesamt für Migration seit April keine Asylanerkennungen für Iraker mehr widerruft.

CHRISTIAN RATH