: Die Frau mit den vielen Einkaufsfotos
Ob Heide Simonis gestern shoppen ging, ist nicht überliefert. Sie tat es jedenfalls nach ihrem quälenden Ende als Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins im April 2005. Bild war dabei und titelte am nächsten Tag zum Foto mit Einkaufstüten: „Danach ging Heide erst mal schoppen“. Gestern wollte Simonis vor dem Bundesgerichtshof erreichen, dass diese Fotos nicht weiterverbreitet werden dürfen. Die Justiz allerdings war der gegenteiligen Ansicht. Simonis könne am Tag ihrer Abwahl nicht plötzlich zur Privatperson mutieren, wie sie selbst meint. Als Politikerin könne sie sich „in einer solchen Situation nicht ohne weiteres der Berichterstattung entziehen“, so die Vorsitzende Gerda Müller.
Es ist eine alte Fehde zwischen Simonis und der Bild-Zeitung. Simonis, bisher einzige weibliche Ministerpräsidentin Deutschlands, gestattete sich tatsächlich etwas privates Profil im öffentlichen Amt – und der Boulevard futterte es genüsslich. Eine Ministerpräsidentin, die von ihren irgendwie britisch anmutenden Hobbys – quilten, Antiquitäten und Hüte sammeln – schwärmt, das musste erst mal verdaut werden. Aber als die Ministerpräsidentin bei ihrer Abwahl einfach nicht glauben wollte, dass ihre eigene Fraktion sie im Stich lässt, war der Reflex ebenso schnell da: „Pattex-Heide“, höhnte das Blatt. Als Simonis dann auch noch wagte, für ihr Kinderhilfswerk Unicef in einer Show zum Wetttanzen anzutreten, legte Bild erst richtig los, zumal Tanzen offenbar nicht zu Simonis’ oft geübten Hobbys zählte: „Hoppel-Heide“, hämte das Blatt wochenlang und inszenierte schon mal, dass Simonis wohl demnächst ins Dschungel-Camp ziehen würde. Bild gewann diese Schlacht: Heide Simonis stieg aus der Show aus, nach einem Kreislaufzusammenbruch, zu dem es, so ihre Homepage, „vor allem wegen des medialen Drucks“ kam.
Simonis hat ihre Eigenarten und ihre große Klappe nie versteckt. Sie hat ein Geltungsbedürfnis, wie man es bisher eher von Männern, Kaliber Schröder, kannte – und dafür lässt Bild, die Stimme des deutschen Gesamtspießers, sie bezahlen.
Sie ist nach ihrer historischen Niederlage shoppen gegangen, obwohl eine Meute Paparrazzi hinter ihr her war. Sie hätte angesichts der zu erwartenden Bilder auch einfach schnell nach Hause fahren können. Dass sie es nicht tat, gehört zu diesem Schuss Eigenwillen, für den Simonis auch gemocht wird. An den Folgen wollte sie nun nicht mehr tragen und Bild gerichtlich in die Schranken weisen. Zu Heide Simonis hätte auch gepasst, wenn sie die Bild nicht zur Feindin geadelt, sondern sie weiter auf souverän-britische Art ignoriert hätte.
HEIDE OESTREICH