: Keiner ist schuld
Verantwortungsgerangel zum Fall Morsal im Jugendausschuss. SPD wittert weitere ähnliche Fälle
Mit einem Gerangel um Formalien begann am Mittwochabend die zweite Sitzung des Jugendausschusses zum Fall Morsal O. GAL und CDU setzten durch, dass von der Sitzung kein Wortprotokoll geführt wurde. Zur Begründung sagte die GAL-Jugendpolitikerin Christiane Blömeke, die SPD-Abgeordnete Carola Veit habe nach der ersten Sitzung zum Fall Morsal „Sätze aus dem Protokoll herausgerissen und in der Bürgerschaft zitiert“. Die SPD beklagte daraufhin einen Verfall der politischen Kultur. „Es ist ganz normal, dass Abgeordnete aus Ausschusssitzungen zitieren“, sagte Veit.
In der Sache kamen die Abgeordneten nicht viel weiter, weil sich die Senatsvertreter erneut auf den Sozialdatenschutz beriefen. CDU-Sozialsenator Dietrich Wersich räumte ein, dass die „Gefahreneinschätzung“ bei Morsal nicht richtig gewesen sei, schob die Verantwortung aber dem SPD-regierten Bezirk Mitte zu. Das dortige Jugendamt habe alle Entscheidungen, wie etwa die Entlassung aus der Inobhutnahme beim Kinder- und Jugendnotdienst (KJND), getroffen. Wersich will den Fall jetzt zwecks wissenschaftlicher Analyse dem „Nationalen Zentrum für frühe Hilfen“ übergeben.
Die SPD indes erwägt ein Ersuchen auf Akteneinsicht. „Es kann nicht sein, dass die Akte quer durch die Republik geschickt wird, aber wir im Parlament keine Informationen bekommen“, sagte Veit. Im Kern geht es darum, dass Morsal am 14. Mai, nachdem sie wegen ihrer Verletzungen gerichtsmedizinisch untersucht worden war, vom KJND wieder zurück zu ihren Eltern geschickt wurde, wo sie erneut misshandelt worden war. Der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer berichtete im Ausschuss, dass „der KJND bei den Eltern angerufen hat, dass Morsal kommt“.
Der Leiter der Jugendabteilung, Wolfgang Hammer, hatte in der vorigen Sitzung gesagt, die Helfer seien bei Morsal nicht von einer Lebensgefahr ausgegangen. Wenn die Stadt alle Kinder, die von Gewalt bedroht seien, in Obhut nähme, hätte man „die vier- bis fünffache Auslastung“. Die SPD-Politikerin Veit fordert den Senat deshalb auf, in allen aktuellen Jugendhilfefällen zu prüfen, ob die Gefahreneinschätzung richtig ist. „Wir wollen wissen, ob es noch mehr Morsals gibt“. KAJ