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WOCHENÜBERSICHT: KONZERTThomas Mauch hört auf den Sound der Stadt

Es gibt Zeiten, da liegt selbst in Berlin das kulturelle Leben brach, und bestimmt wird das am Sonntag so sein, wenigstens nach 20.45 Uhr, und das dann mindestens 90 Minuten lang, in denen drüben in Wien gegen den Ball getreten wird, beim Finale der Fußballeuropameisterschaft der Männer. Bis dahin aber kann man sich mit einem Spaziergang die Zeit vertreiben, hin zum Carillon am Haus der Kulturen der Welt, also dem Glockenspielturm, den Jeffrey Bossin sommers jeden Sonntag bespielt, immer um 15 Uhr. Diesen Sonntag sind das Gassenhauer von den Beatles, Leonard Cohen und Friedrich Hollaender, die aber so im Glockenschlag doch seltsam fremd am Ohr klingen. Ein Carillon wäre noch das Tüpfelchen auf dem i bei der akkordeonbetriebenen Rummelmusik von Amanda Jayne, die irgendwo zwischen Pop, Cabaret und Flohzirkus aufgebaut ist. Eine Geschmacksrichtung, die einem etwa die Dresden Dolls wieder etwas näher gebracht haben. Amanda Jayne spielt mit ihrer Band (wo schon eine Singende Säge dabei sein muss) beim Circus der Bar25. Auch am Sonntag, aber halt nach dem Kick. Am Mittwoch im Schillertheater dann Bonnie „Prince“ Billy, nach Palace, Palace Music und so weiter der aktuelle Markenname von Will Oldham. Das ist der Mann, der mit seinem Bart so eine Schrathaftigkeit in der Musik etablierte, und dazu sang er vornehmlich zur Holzgitarre traurige Lieder, die es irgendwie immer an der Weinerlichkeit vorbeischafften. Dunkler. Disparater. Jedenfalls ist es Leuten wie Oldham zu verdanken, dass man die Liedermacherei selbst in den Mittneunzigern, als alle Hipness-Wimpel ums Feld der elektronischen Trackverfertigung gesteckt wurden, doch auch als Möglichkeit bedenken musste. Mittlerweile ist das Singen bei Oldham etwas aufgeklarter, heller in der Stimmung, ohne deswegen natürlich gleich nach den Mamas & the Papas zu klingen.

Jeffrey Bossin: Carillon, So, 15 Uhr. Eintritt frei

Amanda Jayne and the murder of crows: Bar25, So, 21 Uhr

Bonnie „Prince“ Billy: Schillertheater, Mi, 20 Uhr. VVK: 27–38€

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