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Archiv-Artikel

Der blauäugige Samariter

Als der Bremer Geschäftsführer des Arbeiter Samariter Bundes (ASB) ein Geschäft mit Krankentransporten witterte, schloss er Verträge mit seiner eigenen Firma ab und veruntreute fast 45.000 Euro. Der ASB Bremen verlor die Gemeinnützigkeit

VON JAN ZIER

Jürgen R. hat sein ganzes Leben den Rettungsdiensten verschrieben. Über 35 Jahre ist es her, dass der heute 49-Jährige mal beim Roten Kreuz anfing, ehrenamtlich, als einfacher Sanitäter, seit 1982 dann hauptberuflich. Er ist ein Rettungsassistent, der es, ein paar Jahre später, beim Arbeiter Samariter Bund (ASB) bis zum Geschäftsführer des Landesverbandes in Bremen gebracht hat. R. hat, wie er selbst vor dem Amtsgericht sagt, das System der Hilfsdienste „verinnerlicht“. Und im vergangenen Jahr fast 45.000 Euro veruntreut und dafür gesorgt, dass seinem ASB für das ganze Jahr der Status der Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Ein „empfindlicher“ Schaden, wie der heutige ASB-Landesgeschäftsführer Harald Beck vornehm sagt.

R. ist einer, der es immer nur gut gemeint hat. Der „auf keinen Fall für sich einen finanziellen Vorteil“ aus dem Geldgeschäft ziehen wollte. „Nur für den ASB.“ Als der sich 2007 dafür entschied, nur noch Notfalleinsätze zu fahren und den Krankentransport dem freien Markt zu überlassen, da sah R. sich zum Handeln genötigt. Nur Rettungsdienst, das würde auf Dauer nicht ausreichen, da war er sich sicher, und beim ASB würde doch immer so viel geredet. Bereits 2005 hatte er eine Firma mitgegründet, die mit Krankentransporten Geld verdienen sollte. Zwei Jahre bestand diese nur auf dem Papier – doch dann wurde eine Gesellschaft daraus, die „Ambulance Bremen“ und Herr R. ihr Stiller Gesellschafter. „Ich konnte nicht ganz von meinem Kind lassen.“ Offen auftreten durfte er freilich nicht: Er war ja Geschäftsführer bei der Konkurrenz.

Fünf Fahrzeuge wurden bestellt, anschließend ausgebaut, ausgerüstet. Zum 1. August 2007 sollte es losgehen. Auf jeden Fall. Doch die Finanzierung der DaimlerChrysler Bank stand erst ab September, und in der Zwischenzeit fehlten 44.796 Euro, um Tragen und Tragestühle zu bezahlen. Also hat R. seiner eigenen Gesellschaft mit Geld ausgeholfen – schließlich besaß er beim ASB eine Kontovollmacht. Ein Darlehensvertrag mit Thomas A. wurde geschlossen, dem Geschäftsführer der Ambulance Bremen, auch er ein Rettungsassistent. R. wollte „Zinsen kassieren“, immerhin gut 500 Euro im Monat, und natürlich die Zusammenarbeit mit seiner Ambulance Bremen etablieren. Und, im Erfolgsfalle, so versichert er durchaus glaubwürdig, seine Anteil dem ASB überschreiben. Der wollte sich zwar bis heute nicht am Geschäft mit dem Krankentransport beteiligen, aber da hätte er, sagt R. „dann noch Überzeugungsarbeit geleistet“.

Aus dem Geschäft wurde nichts: Im November 2007 war die Ambulance Bremen bereits pleite. Die geliehenen 45.000 Euro sind Teil der Insolvenzmasse geworden, und dass der ASB je wieder etwas von diesem Geld sieht – „diese Vorstellung kann man wohl knicken“, sagt der Staatsanwalt. Der Schaden des ASB ist indes „weitaus höher“, sagt Geschäftsführer Beck, weil dem als Verein organisierten ASB für 2007 die steuermindernde Gemeinnützigkeit vollständig aberkannt wurde.

Zwar hat R. den Geschäftsführerkollegen A. in seinem Darlehensvertrag als Bürgen benannt, sich zuvor auch einmal dessen privates Haus angesehen – um sich dergestalt der Bonität des A. zu versichern. Doch zum einen verwechselt dieser Vertrag schlicht Schuldner und Gläubiger – und macht den geldgebenden ASB selbst zum Schuldner. Und zum anderen hat A. so wenig Geld wie der fristlose entlassene R. Er sei wohl „etwas blauäugig“ gewesen, sagt R. heute, und dass er irgendwie darauf spekuliert habe, dass am Ende nichts rauskommt. Beim Aufsichtsrat des ASB, ja selbst bei der Polizei hat er gar geleugnet, überhaupt Stiller Gesellschafter der Ambulance Bremen gewesen zu sein: „Ich hatte Angst.“

Herausgekommen ist es dann doch ziemlich bald. Beim ASB sieht man aber keinen Grund, die internen Kontrollmechanismen zu verschärfen. Herr R. sei eben „unredlich“ gewesen, sagt Nachfolger Beck, habe sich überdies keine Vorstellung davon gemacht, in welche „Gefahr“ er den ASB bringen würde.

Und am Ende auch sich selbst: Von seinem ehemaligen Arbeitgeber erwartet R. eine Schadensersatzklage, und das Amtsgericht Bremen verurteilte ihn gestern wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro. Er ist damit vorbestraft. Zudem seit fast einem Jahr arbeitslos. Rund 100 Bewerbungen hat der 49-Jährige nach eigenem Bekunden laufen, und „natürlich“ würde er gerne weiterhin im Rettungswesen tätig sein. Aber am Ende auch alles andere machen – „LKW fahren“, oder „Taxe“, egal, Hauptsache irgendein Job. „Es wird jetzt ein bisschen enger“, sagt der junge Staatsanwalt.