: Zebras unter neuer Leitung
Der THW Kiel trennt sich von seinem Trainer Zvonimir Serdarusic. Damit könnten sich die Kräfte- verhältnisse in der Handball-Bundesliga verschieben, auch wenn als Nachfolger Alfred Gislason käme
von ROGER REPPLINGER
Der THW Kiel ist der erfolgreichste Handball-Verein des Landes. Seit der 57-jährige Zvonimir „Noka“ Serdarusic im Jahr 1993 als Trainer begann, holte der Verein elf Meisterschaften, auch die Meisterschaft 2008. Im Jahr 2007 gelang das Triple: Meisterschaft, Pokal und Sieg in der Champions League.
Viele Stars, unter anderem der überragende französische Rückraumspieler Nikola Karabatic, sind in Kiel, weil Serdarusic, in Mostar (Bosnien) geboren, seit 1998 deutscher Staatsbürger, sie trainiert. Anderswo würden sie mehr Geld kriegen. Nicht nur bei Ciudad Real, Champions League-Sieger 2008, sondern auch bei den Rhein-Neckar Löwen, beim TBV Lemgo und beim HSV Hamburg. Nach der Niederlage im Finale der Champions League gegen Ciudad hatte Serdarusic seinen Rückzug beim THW zum 30. Juni 2009 angekündigt. Dieser Abschied kommt nun ein gutes Jahr früher: Ende vergangener Woche verkündete der THW die Trennung von Serdarusic.
Damit geht beim THW Kiel nicht nur eine Trainerkarriere, sondern die Geschichte einer Zusammenarbeit zu Ende: Serdarusic und Kiels Geschäftsführer Uwe Schwenker hatten 15 Jahre lang zusammen den THW geprägt. Zuletzt redeten sie nicht mehr miteinander, beim THW war die Lage zum Zerreißen gespannt. Schwenker und Serdarusic versuchten, die Gesellschafter der THW Kiel GmbH jeweils auf ihre Seite zu ziehen. Etwa Willi Holdorf, Zehnkampf-Olympiasieger von Tokio 1964. „Wir hatten gehofft, dass Noka diesen Machtkampf gewinnt“, sagt ein Spieler. Aber er gewann ihn nicht.
„Einvernehmlich“ sei die Trennung verlaufen. teilte der Verein in einer Pressemitteilung mit. Um dieses Wort war in Verhandlungen in der Nacht zum Donnerstag bis kurz vor Mitternacht hart gerungen worden. Serdarusic empfand die Trennung nicht als „einvernehmlich“ und mag Schönfärbereien nicht. 750.000 Euro bekommt er für die Auflösung des bis Ende Juni 2010 laufenden Vertrags.
Beide Seiten verpflichteten sich, keine schmutzige Wäsche zu waschen. „Man muss sich schließlich später gegenseitig in die Augen schauen können“, sagt Rechtsanwalt Georg Wegner, einer der fünf Gesellschafter der GmbH. Wegner, nicht Schwenker, übernahm schließlich des Trainers Würdigung: „All die großen Titel und Erfolge wären ohne seine Kompetenz und sein Engagement nicht möglich gewesen.“
Serdarusic ist ein eigensinniger Mann. Kompromisslos, besessen, hart gegen sich und andere. Er stellt sich vor seine Spieler, auch die schwierigen. „Ich hatte nie zuvor mit einem solchen Fachmann wie Noka zusammengearbeitet“, lobt Kapitän Stefan Lövgren. „Er ist der Beste, den es gibt“, begründete Karabatic seine Vertragsverlängerung bis 2012 und kommentierte die Entlassung mit dem Satz: „Das hat er nicht verdient.“
Kreisläufer Markus Ahlm nennt Serdarusic „einen großartigen Trainer. Er war für mich ein ganz wichtiger Grund dafür, dass ich vor fünf Jahren nach Kiel gekommen bin. Von Noka habe ich unglaublich viel gelernt.“ Dem schwedischen Kreisläufer liegt ein Angebot der Rhein-Neckar Löwen vor, die genauso vom milliardenschweren SAP-Gründer Dietmar Hopp finanziert werden wie die in die Fußball-Bundesliga aufgestiegene TSG 1899 Hoffenheim.
Gerüchte sagen, dass sich die Rhein-Neckar Löwen Serdarusic krallen könnten. Das würde, wenn der eine oder andere Spieler Kiel verlässt, die Kräfteverhältnisse in der Handball-Bundesliga verschieben. Doch bei den Löwen, unter Trainer Juri Schewzow mit teuerem Kader nur Vierter und im EHF-Finale an Veszprem (Ungarn) gescheitert, heißt der Geschäftsführer Thorsten Storm. Der war von 1990 bis 2002 Marketingleiter beim THW und, wie einst Schwenker, ein enger Freund von Serdarusic, bis Storm für kurze Zeit zur SG Flensburg-Handewitt ging und dem THW den Kroaten Blazenko Lackovic vor der Nase wegschnappte. „Verrat“, zürnte Serdarusic und kündigte Storm die Freundschaft auf.
Beim THW sucht nun Uwe Schwenker unter Hochdruck einen neuen Trainer. Dass keiner im Schrank stand, zeigt, wie überraschend die Entwicklung auch für den kam, der sie betrieb. Favorit ist nun der 48-jährige Isländer Alfred Gislason, beim finanziell schwachen VfL Gummersbach bis 2010 unter Vertrag. Gislason kostet den THW 250.000 Euro Ablöse. „Ich bin verhalten optimistisch, was den Transfer betrifft. Aber noch ist nichts in trockenen Tüchern. Wer schon eine Einigung verkündet hat, war vorschnell“ sagte Schwenker. Gislason sei ein „charismatischer Typ, der über ein hohes Fachwissen verfügt. Er hat schon die Champions League gewonnen und die deutsche Meisterschaft“.
Beim THW müsste Gislason zunächst keine Spiele, er muss die Spieler gewinnen. Denn das Verhältnis zwischen Serdarusic und seiner Mannschaft war ein besonderes. Anfang Juni sagte Serdarusic: „Beim Gedanken daran, diese Mannschaft irgendwann einmal als Trainer abzugeben, bricht mir beinahe das Herz.“