: Der geschnappte Guru ohne Gewissen
Oliver Shanti alias Ulrich Schulz, 59, hat sich als Produzent von New-Age-Pop einen Namen gemacht. In Portugal wurde er am Wochenende festgenommen. Der Vorwurf: Kindesmissbrauch FOTO: POLIZEI BAYERN
Der Mann, der sich Oliver Shanti nennt, ist durch akustische Umweltverschmutzung bekannt geworden. Mit seinem süßlichen Ethno-Klangbrei stieg er einst zum Dieter Bohlen der Esoterik-Szene auf. In Portugal nahm ihn die Polizei nun wegen eines weit schwereren Verbrechens fest. Die Staatsanwaltschaft München wirft ihm den sexuellen Missbrauch von Kindern in über 100 Fällen vor. Die Vorwürfe reichen teils bis in die Achtzigerjahre zurück, als Shanti eine Landkommune im Bayerischen Wald leitete.
Erstaunen kann das nur, wer an das New-Age-Gesäusel von einer besseren Welt glaubt, die sich durch esoterisches Getue angeblich automatisch einstellt. Alle anderen können sich in ihrem Eindruck bestätigt fühlen, dass sich hinter der Maske des Pseudo-Gurus oft nur eine besondere Form der Gewissenlosigkeit verbirgt. Oliver Shanti, der im wahren Leben auf den Namen Ulrich Schulz hört, bietet dafür ein besonders perfides Beispiel.
Mit zahllosen CD-Alben, die bedeutungsschwangere Titel wie „Tai Chi“, „Well Balanced“ oder „Alhambra“ trugen, aber doch immer nur den gleichen New-Age-Quark breittraten, machte Shanti ein Vermögen. Eine Weile lang türmten sich seine CDs, deren Cover meist nur ein „Oliver Shanti & Friends“ sowie schreiend kitschige Esoterik-Motive schmückten, in Kaufhäusern und Drogeriemärkten, wo sie bis zu mehrere hunderttausend Male über die Theke gingen. Sein Gesicht aber blieb einer breiteren Öffentlichkeit verborgen. Ohnehin ist umstritten, inwiefern der Mann, dessen Namen die Produktionen zierte, an den Aufnahmen überhaupt beteiligt war. Stattdessen sorgten meist eine feste Gruppe namenloser Gastmusiker für den Sound, den sie wahlweise mit chinesischen, indianischen oder orientalischen Elementen umkränzten. Doch da alle Rechte bei Oliver Shanti lagen, gingen die Musiker bei den Tantiemen leer aus.
Von seinen Erlösen kaufte er sich in Portugal ein Anwesen, auf dem er zeitweise eine sektenähnliche Gemeinschaft um sich geschart haben soll. Dem Ort Vila Nova de Cerveira spendierte er eine Hirsch-Skulptur sowie mehrere Feuerwehrfahrzeuge, wofür ihn der Bürgermeister als „geschätzten Mitbürger“ bezeichnete. Dass in seinem Haus häufig Kinder ein und aus gingen, darüber sah man offenbar großzügig hinweg. Dabei wurde Ulrich Schulz alias Oliver Shanti schon seit 2003 von den deutschen Behörden gesucht und stand auf der BKA-Liste der meistgesuchten deutschen Verbrecher ganz oben. Jetzt wurde Schulz bei einem Besuch in der deutschen Botschaft in Lissabon erkannt und wird vermutlich bald nach Deutschland ausgeliefert.
DANIEL BAX