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Archiv-Artikel

„Die Sex Pistols liebten frittierte Wurst“

Wam Kat hat die niederländischen Pazifisten angeführt, für Punks und Globalisierungsgegner gekocht. Um gewaltsame Ausschreitungen bei Demonstrationen zu verhindern, empfiehlt er Nüsse und Rosinen. Jetzt hat er ein politisches Kochbuch herausgebracht und stellt es in der taz vor

ZUR PERSON

Sein Engagement: Wam Kat (53) hat gegen Atomkraftwerke protestiert sowie geholfen, die Friedensbewegung auf dem Balkan zu vernetzen, und dort Flüchtlingslager eingerichtet. Er war Vorsitzender der niederländischen Pazifistischen Sozialistischen Partei und gründete in den 80er-Jahren das Kochkollektiv „Rampenplan“ mit. Seitdem bekocht die Gruppe aus den Niederlanden Blockaden, Aktionscamps, Konferenzen und Fahrradtouren sämtlicher sozialer Bewegungen von den Umweltaktivisten bis hin zu Globalisierungskritikern. Sein Buch: „Wam Kats 24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung“ ist der Titel eines Buchs, in dem sich Geschichten aus dem Leben des Bewegungskochs mit dazu passenden Rezepten abwechseln. Die Idee zu dem Buch kam dem Verlag Orange Press aufgrund eines Interviews der taz mit Wam Kat während des G-8-Gipfels 2007 in Heiligendamm. Deswegen stellt er das Buch heute Abend im taz-Café in Berlin vor. Wam Kat wird dazu live vegetarisch kochen, und zwar ab 18 Uhr in der Rudi-Dutschke-Straße 23, nahe U-Bahnhof Kochstraße.

INTERVIEW DANIEL SCHULZ

taz: Herr Kat, welchem Fernsehkoch fühlen Sie sich näher – Johannes B. Kerner oder Tim Mälzer?

Wam Kat: Was für eine grauenhafte Auswahl! Diese Leute praktizieren eine autoritäre, arrogante und mir völlig fremde Art des Kochens. Da steht dann so ein Typ, der zeigt, wie es geht, und die Nation brutzelt das nach. Was für ein furchtbar pädagogischer Ansatz. Da sind mir die Kochprofis sehr viel lieber. Die gehen in Großküchen zu den Menschen und verbessern mit denen gemeinsam die Kochkunst. Das finde ich viel demokratischer.

Sie schauen RTL II?

Ich wohne im Wald. Ich krieg nur Satellitenfernsehen. Kerner tritt mir einfach viel zu moralisch auf. Was soll das?

Das sagen gerade Sie, der Menschen zur Öko-Küche erziehen will?

Hm. Okay, wahrscheinlich haben Kerner und ich mehr gemeinsam, als ich wahrhaben will. Wir kommen ja auch beide aus christlichen Familien. Das Missionarische kriegt man einfach nicht mehr raus.

Warum braucht man beim derzeitigen Koch-Hype und all den Sendungen eigentlich noch Ihr Buch?

Weil die politische Idee dahinter gut ist. Ich will kein Starkoch für Althippies sein, so etwas braucht niemand. Es wäre schrecklich, wenn jemand meine Rezepte nachkochen würde. Okay, vielleicht einmal zum Probieren, aber dann sollen die Leser einfach die Zutaten nehmen und selbst experimentieren. Kochen hat für mich sehr stark etwas damit zu tun, selbst zu denken und kreativ zu werden. Deswegen stößt mich das Hierarchische der meisten Kochsendungen ab.

Nach einer großen Vision klingt das nicht gerade.

Soll ich hier jetzt altbekannte Dinge aufzählen? Dass man seine Zutaten am besten in der Region kauft und so weiter? Das muss ich in der taz doch wohl genauso wenig erklären wie die Tatsache, dass für ein Stück Fleisch sehr viel mehr Energie aufgewendet werden muss als für eine vergleichbare Menge Getreide. Darum sind alle Rezepte in dem Buch vegetarisch oder vegan.

Manche haben Sie sich unter Mühen erkämpft. In einer Ihrer Lebensgeschichten zwischen den 24 Rezepten erzählen Sie von einem Gemüse-Nazi …

… ja, das war ein bärtiger, verfilzter Typ, der sein Zeug in einem Kellerloch verkaufte. Und in seinen Garten kam kein Gemüse, das nicht schon seit dem Mittelalter in den Niederlanden wächst. Alles andere hat er verbrannt. Zwiebeln entgingen dem Scheiterhaufen nur knapp, er war sich bis zum Schluss nicht sicher, ob die nicht türkischer Abstammung sind.

Heute ist Bioernährung nicht mehr nur eine Sache von Zotteln und Zauseln, auch Edeka und Wal-Mart geben sich öko. Würde Ihre Küche Rampenplan dort einkaufen?

Wenn wir wüssten, dass es aus der Gegend kommt – warum nicht? Prinzipiell ist es gut, wenn Läden, die sich früher einen Dreck um Ökologie geschert haben, merken, dass das wichtig ist. Und die Biozulieferer sind auch nicht immer ganz astrein. Bei Terra, dem größten Zulieferer in Ostdeutschland, habe ich auch schon des Öfteren nicht eingekauft, weil die Ökogemüse aus Argentinien angeboten haben. Aber das eigentliche Problem ist, dass zu viele Großfirmen den Markt beherrschen – auch im Ökogeschäft.

Welche meinen Sie?

Sehr viele Ökoläden in ganz Deutschland werden beispielsweise von einer Käserei aus Friesland beliefert. Ich habe noch erlebt, wie die als kleiner Laden angefangen haben, inzwischen haben die in manchen Regionen fast eine Monopolstellung. Was ist ökologisch daran, einen Käse durch halb Deutschland zu fahren?

Sie haben während des Jugoslawienkrieges der Friedensbewegung geholfen, ein Netz von Mailboxen einzurichten. Und Sie haben mit den Einwohnern zerschossener Städte Karneval gefeiert. Warum finden sich aus dieser Zeit keine Rezepte in Ihrem Buch?

Ich musste aus 900 Seiten Rohmaterial auswählen. Und was wir ausgesucht haben, sollte für möglichst viele Leute zugänglich sein. Deswegen sind im Buch Geschichten vom heimlichen Atomgegnertraining und meiner Arbeit in einer Wurstfabrik drin. Aber eben nicht aus Sarajevo. Wie man dort zu Zeiten des Krieges gekocht hat, schien mir von der Realität der Menschen hier zu weit weg.

Welches Rezept hätten Sie denn veröffentlicht?

Vielleicht das Rezept eines Gemüseburgers. In der Region um Sarajevo haben die Menschen traditionell sehr viel Fleisch gegessen. Im Krieg wurde das natürlich äußerst knapp. Einen Hamburger konnte man mit Beziehungen schon noch kaufen aber der kostete etwa 100 Dollar. Deswegen pflanzten die Einwohner bald auf ihren Balkonen, zerstörten Häusern und in aufgerissenen Straßen Gemüse an. Und um ihrem Leben den Schein von Normalität zu geben, haben die Menschen dort das Gemüse so verarbeitet, dass sie damit einen Burger belegen konnten. Das erinnerte sie an ihr altes Leben im Frieden.

Welches Gemüse aßen die Menschen in Sarajevo?

Es musste viel Ertrag bringen, durfte aber auch nicht zu viel Pflege und Aufsicht brauchen, denn dafür war keine Zeit. Also waren das beispielsweise Tomaten und Kartoffeln. Die Samen dafür kamen übrigens erst ein Jahr nach Beginn der Belagerung in die Stadt. Zuvor hatten die Hilfsorganisationen lange darüber diskutiert, ob man mit dieser Lieferung anerkennen würde, dass Sarajevo noch eine lange Zeit des Eingeschlossenseins bevorstand. Über diese Dinge werde ich vielleicht in einem Nachfolgebuch berichten. Das bereite ich gerade vor.

Machen Sie sich nicht auf den Weg zum G-8-Gipfel, der Anfang Juli auf der Insel Hokkaido in Japan stattfindet? In Heiligendamm 2007 haben Sie doch auch gekocht.

Das wäre aber nur ziemlich dummer Aktionstourismus, wenn wir dorthin fliegen würden. Und wenn wir ökologisch reisen würden, beispielsweise mit einem Segelboot, würde das viel zu lange dauern. Angela Merkel wird nächste Woche wieder hier sein. Ich warte hier einfach auf sie.

Stattdessen haben Sie gerade mit Ihrem Küchenkollektiv auf der Fusion gekocht – einem Festival für elektronische Musik. Was ist daran politisch?

Das Festival ist eines der wenigen, vielleicht auch das einzige in Deutschland, das kaum kommerzialisiert ist. Es gibt wenig Reklame, vieles wird ehrenamtlich gemacht. Und wir sind in dem ganzen Chaos ein Hort der Bürgerlichkeit, nach dem sich die Leute sehnen.

Wie bitte?

Die einfachsten und bodenständigsten Gerichte wie Kartoffelsuppe gehen immer am allerschnellsten weg. Die Festivalbesucher sehnen sich in dem Trubel eben nach etwas Handfestem, an dem sie sich festhalten können. Das macht sie glücklich.

Könnte das nicht eher am LSD und Speed gelegen haben?

Na ja. Wenn sich manche Gäste noch überschwenglich bedanken, obwohl sie nur noch einen Rest Suppe abbekommen haben, dann wird das nicht allein am Biogemüse liegen. Aber dennoch kann ein Koch mit gutem Essen die Menschen glücklich und zufrieden machen. Ich habe das auf vielen Demonstrationen erlebt – ohne die Küchen würde es oftmals sehr viel größere Randale geben. Wenn eine Demonstration beispielsweise schlecht läuft, dann braucht man Nüsse, Rosinen oder frisches Obst. Das lässt den Ärger verschwinden. Als Koch muss man das fühlen.

Was fühlen Sie beim Wort Frikandel?

Das ist so eine Art frittierte Bratwürste – eine holländische Spezialität. Ich habe noch nie Fleisch gegessen, aber als ich einmal die Sex Pistols vor einem Konzert betreut hatte, die liebten das Zeug – außer Johhny Rotten natürlich, der war Vegetarier. Aber die anderen stopften dieses Zeug in sich rein, obwohl ich ihnen von meiner Arbeit in einer Wurstfabrik erzählte und dass die Arbeiter da zum Spaß auch des Öfteren mal eine Maus in die Maschine warfen. Insbesondere Sid Vicios hat gesagt, er will mehr davon. Aber der hat auf seinen Körper ohnehin nicht so sehr geachtet – schätze ich mal.