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Archiv-Artikel

Amokfahrt mit Bulldozer in Jerusalem

Ein palästinensischer Attentäter tötet mehrere Menschen in einer belebten Straße Jerusalems und wird von einem Soldaten erschossen. Vermutlich handelt es sich um einen Einzeltäter aus dem Ostteil der Stadt, der für ein Bauunternehmen arbeitete

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Ein 30-jähriger Palästinenser ist am Mittwoch bei einem Anschlag mit einem Bulldozer über 500 Meter gegen die Fahrtrichtung durch die dicht befahrene Jaffo-Straße gerast. Er riss dabei zuerst einen Bus um, rammte mehrere Taxis und zerquetschte schließlich einen Pkw. Berichten zufolge saß in dem Wagen eine junge Frau, die ihr zweijähriges Kind aus dem Fenster warf, sich selbst aber nicht mehr retten konnte. Der Attentäter tötete vermutlich drei weitere Menschen und verletzte über 40, bevor zunächst ein Polizist und dann ein Soldat auf den Traktor sprangen. Der Soldat, der Zivilkleidung trug, tötete den Angreifer nach einem kurzen Handgemenge mit fünf Schüssen aus sehr geringer Entfernung.

„Es bestand unmittelbare Lebensgefahr für weitere Unschuldige“, rechtfertigte Polizeisprecher Micky Rosenfeld die Todesschüsse auf den Palästinenser später auf telefonische Anfrage. „Die beiden Sicherheitsleute handelten ihren Vorschriften zufolge.“ Der Angreifer habe zunächst die Fahrt mit hoher Geschwindigkeit fortgesetzt, obschon er vorher durch den Schuss einer Soldatin verletzt worden war. „Er steuerte auf eine Menschenmenge zu.“

Ähnlich wie vor vier Monaten, als in einer Jerusalemer Talmud-Schule acht Israelis erschossen wurden, handelt es sich bei dem gestrigen Attentäter um einen Palästinenser aus Ostjerusalem, der allem Anschein nach auf eigene Faust handelte. Der Vater von zwei Kindern ist der Polizei aufgrund krimineller Vergehen, nicht infolge politischer Aktivitäten bekannt gewesen. Offenbar arbeitete der Palästinenser auf dem Tatfahrzeug für ein Unternehmen, das parallel zur Jaffo-Straße das Fundament für eine Eisenbahnverbindung legt. Dem Sicherheitsapparat lagen keinerlei Vorwarnungen vor.

„Es ist unmöglich, Kontrolle über Einzeltäter zu haben“, resümierte ein Polizeisprecher. Innenminister Eli Ischai (Schas) forderte dazu auf, die Bewegungsfreiheit der in Ost-Jerusalem wohnhaften Palästinenser einzuschränken. Das wäre jedoch nur mit Hilfe von Trennanlagen möglich, die unmittelbar durch die Stadt führen.

Eine weitgehend unbekannte Gruppe namens „Brigaden der freien Menschen von Galiläa“ bekannte sich zu dem Attentat. Keine der bekannten palästinensischen Widerstandsbewegungen übernahm zunächst die Verantwortung. Die Fraktionen im Westjordanland halten sich seit gut einem Jahr an einen unilateralen Waffenstillstand. Zwischen Israel und dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen gilt seit knapp zwei Wochen eine wacklige Feuerpause. Ginge es nach der Hamas, dann wäre das Westjordanland in das Abkommen mit einbezogen worden. Israel lehnte das ab.