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Archiv-Artikel

Umstrittenes Neuland

Nicht alle Inselbewohner sind zufrieden mit dem Plan, Helgoland und seine Düne durch eine Sandaufschüttung zu verbinden. Der Investor glaubt, dass die Insel trotzdem authentisch bleibt

VON ESTHER GEISSLINGER

Auf der Fotomontage sieht alles prima aus: Helgoland und seine Düne sind vereint durch einen breiten Streifen Neuland, auf dem Hotels, Wohnhäuser, Läden Platz haben. Der Hamburger Bauunternehmer Arne Weber will dieses Land aus dem Nichts schaffen, indem er rund einen Quadratkilometer Sand aufspült und befestigt.

Die Chance dafür ist seit gestern gestiegen: Das Land Schleswig-Holstein steht hinter der Idee, keine der bisher beteiligten Fachstellen von Umweltschutz bis Schifffahrtsbehörde erhebt Einspruch, auch die Gemeindevertretung der Insel ist vorsichtig optimistisch. „Im ersten Moment habe ich gesagt, dass ist verrückt“, gestand Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU), der in Kiel mit Weber und Helgoländer Gemeindevertretern vor die Presse trat. „Dann habe ich alte Bilder gesehen, die zeigen, dass Insel und Düne früher verbunden waren, habe an die Probleme der Insel gedacht und festgestellt: Ich halte es für genial.“ Die Begeisterung kostet ihn nicht viel, denn Austermann verlässt die Regierung in wenigen Wochen. Beginnen soll die Neulandgewinnung etwa 2010. Die 80 Millionen Euro teure Maßnahme könnte nach einem Jahr beendet sein.

Die Kosten wollen private Investoren, allen voran Weber, geschäftsführender Gesellschafter der HC Hagemann, tragen. „Ich habe keine Samariterfunktion“, stellte er klar. Zwar stamme seine Mutter von der Insel, daher sei es schon „eine Herzensangelegenheit“, aber natürlich stünden wirtschaftliche Interessen hinter dem Plan: Das Neuland soll verkauft werden. „Denn es wird den Investoren gehören, die bringen das Geld auf.“

Austermann betonte aber, das Land unterliege der Hoheit der Gemeinde: „Es muss sicher gestellt sein, dass Helgoland seine Authentizität nicht verliert.“ Das könnte schwierig werden: Die heute 1,7 Quadratkilometer große Insel würde um mehr als die Hälfte größer. Die heutige Düne wäre zu Fuß zu erreichen statt mit Booten. „Wir werden verträglich mit der Natur umgehen“, versprach Inselbürgermeister Frank Botter. Wie das geschehen soll, zählt zu den Fragen, die heiß diskutiert werden. „Alle, die ich treffe, sind dafür“, sagte Weber. Botter sah das anders: „Die Reaktionen reichen von total beknackt bis toll.“ Jahrzehntelang sei Helgoland immer etwas übergestülpt worden: „Die Ängste sind da.“ Auch Bürgervorsteher Claus Wickidal war skeptisch, ob eine Bürgerbefragung jetzt ein Ja ergäbe: „Dafür hat keiner von uns genug Informationen. Vieles läuft emotional, nach dem Motto: Zwei Inseln sind schöner als eine.“ Im Herbst ist eine erste öffentliche Debatte geplant.

Auch zahlreiche Gutachten stehen noch aus, angefangen vom Finanzkonzept über geologische Daten bis zum Klima- und Naturschutz. „Es kann sein, dass wir an einen Punkt kommen, an dem wir abbrechen müssen“, sagte Weber. Zurzeit sei der aber nicht zu erkennen. Weber und die weiteren Befürworter glauben, dass die Neulandgewinnung zahlreiche Probleme löst. Neue Gäste und touristische Infrastruktur etwa könnten mehr Gäste locken – 2007 kamen rund 400.000. In den Siebzigern waren es doppelt so viele. Das liegt unter anderem daran, dass es so schwer ist, die Insel zu erreichen. Gefragt und häufig überbucht ist eine Katamaran-Verbindung von Hamburg, doch der kann nur im Sommer bei ruhiger See starten. Die Seebäderschiffe, etwa aus Büsum, sind Jahrzehnte alt, die Reeder wagen nicht zu investieren, weil nicht klar ist, ob und wie die Hafenanlagen ausgebaut werden. Durch das Neuland entstünde Platz hierfür sowie für einen erweiterten Flughafen.

Inzwischen wird das Projekt weltweit verfolgt. „Da waren wir selbst überrascht, dass so eine kleine Sandaufschüttung so einen Wirbel macht“, sagte Weber. Doch viele „small islands“ plagen ähnliche Sorgen wie Helgoland. „Wenn irgendwo eine kleine Insel eine Idee hat, interessiert das alle.“