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Archiv-Artikel

Nordelbien übt sich in Harmonie

Die Bischofskandidaten für Schleswig und Holstein stellen sich vor: Zur Wahl stehen denkbar unterschiedliche Lebensentwürfe, für eine Richtungsentscheidung aber soll die Personalie nicht taugen: Beide entstammten dem „nordelbischen Mainstream“

VON ESTHER GEISSLINGER

Leichter kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr, so scheint es, als irgendjemand auf den Bischofssitz für Schleswig und Holstein: Hoch kompliziert ist das Verfahren, mit dem am kommenden Samstag 140 Synodale einen Nachfolger für Hans Christian Knuth wählen. Zwei Kandidaten treten an in dem neuen Sprengel: Horst Gorski und Gerhard Ulrich – beide aus Hamburg, beide Pröpste, beide in den Fünfzigern, beide erfahren und in viele Ämter eingebunden.

Dennoch treten hier verschiedene Lebensentwürfe gegeneinander an: Gerhard ist verheiratet und Vater von vier Söhnen mit biblischen Namen, Gorski ist zurzeit Single und offen homosexuell. Trotz aller verkündeter Toleranz der Nordelbischen Kirche sorgt das für Hektik. Ein pensionierter Bischof verschickte Briefe an alle Synodalen, Gorski doch bitte nicht zu wählen.

Auch das Medieninteresse ist groß. Als sich am Montag beide Kandidaten in Kiel der Presse vorstellten, ging Gorski auf die Rolle der Kirche in der heutigen Zeit ein: Kirchen seien „Orte der Begegnung mit Gott“, die er daher erhalten wolle – gerade auf dem Land sei das aus Kostengründen ein Problem. Viele Menschen seien auf der Suche nach Werten, sagte Gorski, die heutigen Eltern oft rat- und sprachlos, die Verrohung wachse, ebenso die Schere zwischen Arm und Reich. Seelsorge verstehe er ganzheitlich, nehme leibliche und finanzielle Sorgen ernst, vertrete „ein freiheitlich-aufklärerisches Modell des Glaubens“.

Diskutiert worden war auch, ob Gorski Kreuze in den Kirchen abhängen wollte. Dem sei nicht so, erklärte er nun: „Das Kreuz hat für mich Heilsbedeutung.“ Eine Predigt sei missverstanden worden, in der er sich mit einem spätmittelalterlichen Gottesbild auseinander setzte. „Was ich gesagt habe“, so Gorski, „ist gängige Theologie.“ Dass er als Homosexueller Probleme etwa mit Vertretern anderer Religionen haben könnte, glaube er nicht: „Dann dürften lutherische Pastoren nicht heiraten, es dürften keine Frauen berufen werden.“ Er erwarte Toleranz.

Sein Mitbewerber Gerhard Ulrich sprach vom Bildungsauftrag der Kirche, von der Bedeutung der Festtage und dem Wert alltäglicher Gemeindearbeit: Gerade auf dem Land sei die Kirche „Begleiterin der Lebenswirklichkeiten“. Wichtig sei ihm, wie „das Wort zum Menschen und der Mensch zum Wort“ komme. Auch er setzte sich für Toleranz ein: Die Nordelbische Kirche habe das Thema verschiedener Lebensgemeinschaften diskutiert, das sei dienlich gewesen.

Ulrich ist seit 1996 Propst im Kirchenkreis Angeln und hat damit einen Standortvorteil vor Gorski, der soeben als Propst des Kirchenkreises Hamburg-Altona wiedergewählt wurde. Doch der Sprengel Schleswig und Holstein, der im Zuge einer Reform der Nordelbischen Kirche neu geschaffen wird, umfasst neben ländlichen Gemeinden auch Großstädte wie Kiel und Flensburg und reicht dicht an Hamburg heran. „In jedem Sprengel müssen die Unterschiede zwischen Stadt und Land gesehen werden“, erklärte Ulrich.

Wie auch immer er heißt, der neue Bischof wird Aufgaben in seinem Sprengel und in der Nordelbischen Kirche übernehmen. 2009 wird zusätzlich ein Landesbischof bestimmt. Die Nordelbische Kirche steht außerdem vor einer Fusion mit der Mecklenburgischen und Pommerschen Kirche.

Die Wahl zwischen den beiden Kandidaten sei „keine Richtungsentscheidung“, sagte Synodenpräsident Hans-Peter Strenge: „Beide sind im nordelbischen Mainstream verwurzelt.“ Die Frage nach der Homosexualität Gorskis werde „außerhalb der Kirche aufgeregter diskutiert als innerhalb“. Dennoch sei unter anderem der Aufruf, ihn nicht wählen, „an eine Grenze gegangen“, sagte Strenge: „Sie können versichert sein, dass wir das auf der Synode angehen werden.“