: Finanzamt zahlt Beiträge zurück
Krankenkassenbeiträge sollen ab 2010 steuerlich absetzbar sein. Das wird sehr teuer für den Staat
AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN
Die Besserverdienenden sollen zur Kasse gebeten werden – so hat es Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Montag in der Bild gefordert. Mit diesen Zusatzeinkünften will der Finanzminister eine weitere Steuerreform finanzieren: Ab 2010 soll es für alle Steuerzahler möglich sein, einen größeren Teil ihrer Krankenkassenbeiträge beim Finanzamt abzusetzen. Allein für den Bund rechnet Steinbrück mit einem Steuerausfall von bis zu 6 Milliarden Euro. „Das werden wir zum Teil durch neue Einnahmen bei den oberen Einkommen wieder hereinholen.“ Die Union hat bereits Widerspruch angemeldet. Sie will auch die Besserverdienenden entlasten.
Hintergrund: Im März hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Beiträge zur Krankenkasse und zur Pflegeversicherung zumindest teilweise zum Existenzminimum gehören – und daher steuerfrei bleiben müssen. Geklagt hatte ein selbstständiger Rechtsanwalt, der für sich, Ehefrau und sechs Kinder jährlich rund 18.000 Euro für Kranken- und Pflegeversicherung zahlt. Davon kann er bisher nur 2.400 Euro absetzen – ein derart niedriger Freibetrag wurde nun als verfassungswidrig eingestuft. Bis Ende 2009 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung vorlegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich zwar explizit nur mit den privaten Krankenkassen befasst – aber der Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet, dass auch die Freibeträge der gesetzlich Versicherten steigen müssen. Bisher können Arbeitnehmer nur 1.500 Euro im Jahr steuerlich absetzen – darin sind unter anderen Kranken-, Arbeitslosen-, Pflege-, Lebens- und Haftpflichtversicherungen enthalten. Doch allein der Arbeitnehmeranteil für die Krankenversicherung macht bei einem durchschnittlichen Jahresgehalt von 30.000 Euro bereits 2.230 Euro aus.
Wenn erhöhte Steuerfreibeträge schon beim Bund ein Minus von bis zu 6 Milliarden Euro auslösen würden – dann dürften sich die gesamten Ausfälle auf bis zu 14 Milliarden Euro belaufen, da ja auch Länder und Gemeinden an der Lohn- und Einkommensteuer beteiligt sind. Bisher schweigt sich Steinbrück darüber aus, wie er die Reform konkret finanzieren will. „In einem halben Jahr wissen wir alle mehr.“
Es ist allerdings davon auszugehen, dass Steinbrück eine Idee wiederholen wird, die sich bereits in einem SPD-Steuerpapier vom Mai findet: Damals wurde für den SPD-Zukunftskonvent in Nürnberg vorgeschlagen, dass die Reichensteuer von 45 Prozent bei Singles bereits ab einem Jahreseinkommen von 125.000 Euro gelten solle. Bisher wird sie erst ab 250.000 Euro fällig.
Dieser Vorschlag allein dürfte jedoch nicht ausreichen, um Steinbrücks Pläne zu finanzieren. Das zeigt ein Vergleich mit einem Konzept der Grünen, das sogar etwas radikaler ist. Dort soll der Spitzensteuersatz progressiv von 42 auf 45 Prozent steigen – was auch nur 3 Milliarden Euro bringen würde. Der grüne Finanzexperte Gerhard Schick sagt denn auch: „Bisher fehlt es an konkreten Vorschlägen von Steinbrück.“
Derweil dürften die Versicherungskosten für die Arbeitnehmer weiter steigen, wie eine neue Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Vor allem Niedrigverdiener werden durch die Zusatzbeiträge belastet, die die Kassen ab 2009 erheben dürfen, wenn der Gesundheitsfonds eingeführt wird. Auch die „Überforderungsklausel“ schütze die Niedrigverdiener nur unzureichend. Diese Klausel legt fest, dass die Zusatzbeiträge maximal 1 Prozent vom Bruttoeinkommen betragen dürfen.
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