piwik no script img

Archiv-Artikel

Französisch im FreienFreilichtkino Kreuzberg

Ab und an droht ein Sturmtief, wie „Bruno“, und bläst die Filmvorführung ab: Aber selbst dann noch ist ein Freiluftkino wie die Bar 25 ein angenehmer Ort. Fünf Autoren haben die Freiluftkinos besucht, denn schließlich verlangt der Sommer seinen Tribut

Der Abend war wolkenverhangen und warm. Als ich endlich im Freilichtkino Kreuzberg angekommen war, wunderte ich mich, dass ich so lange danach gesucht hatte. Irgendetwas hatte ich übersehen, Irrtümer hatten mich woandershin geführt. Nun war ich hier, und es war wie in den Sommerferien am ersten Abend.

Ich war guter Dinge, weil wir zuvor Fußball gespielt hatten, und auch etwas melancholisch, weil es das letzte Mal vor den Ferien gewesen war. Nicht die Gewohnheit, sondern der Durst trank ein Bier. Es gab viele große Bäume und Häuser dahinter, die nicht so wichtig waren, und es roch wunderschön hier im Freien. Das Kinogelände hat eine nachdenkliche, fast sehnsüchtige Ausstrahlung. Die meisten Zuschauer saßen auf Liegestühlen. Es gab viel Platz. Aufs Angenehmste war man zugleich unter Menschen und doch allein.

Spielfilme im Freien zu gucken ist ganz anders als Public Viewing mit Fußball. Wenn man Fußball guckt, bleibt man ja da, wo man ist, nur die Spannung verändert sich; manche Spielfilme entführen einen aber freundlich, ohne den Zwang großer Spannung, ganz woandershin.

Die südfranzösischen Provinzlandschaften des schönen Films „Der fliegende Händler“ von Eric Guirado passten sehr gut zu der Landschaft des Freilichtkinos. Wie schön klang das Französisch, das die Helden sprachen; wie romantisch sah der schummrig beleuchtete kleine Kiosk aus, zu dem ab und an jemand ging, um Bier zu holen! Das eine verband sich mit dem anderen, und es entstand ein Drittes; das war der eigene schöne Abend, den man hier erlebte. Beim Abspann klatschten manche tatsächlich. Dann gingen rote Lichter an. Zuschauer brachten die Liegestühle zurück. Am Ausgang stand der Zitty-Händler und fotografierte sein liebevoll geschmücktes und beleuchtetes Zitty-Verkaufsfahrrad.

DETLEF KUHLBRODT

Kulturforum

Das Kulturforum ist ein wahrer Unglücksort, ein für Berlin nicht untypisches Fragment großer, zunächst schlüssiger, dann halbherzig umgesetzter Pläne. Heute ein einziger zusammengestückelter Unzusammenhang. Vor allem die treppenlose Schräge zwischendrin, die als Freifläche hinaufführt zur eleganten, aber in den Hintergrund geduckten Gemäldegalerie, gilt zu Recht als von Herzen misslungen. Justament hier hat die Yorck-Gruppe nun ein Freiluftkino hingesetzt: ein weiterer Aneignungsversuch dieses gesichtslosen Raums.

Liegestühle stehen in Reih und Glied auf dem flachen Buckel vor einer Leinwand, die sich wie die Unterseite eines zum Trocknen hochkant gekippten rechteckigen Schlauchboots ausnimmt. Nur fühlt man sich weniger am Strand als gestrandet. Es läuft Doris Dörries „Kirschblüten“-Film, bayerisch-japanische Trauer süß-sauer. Oft geht mein Blick hinüber auf die plumpen Bauten am Potsdamer Platz. Autos fahren, so scheint es, geräuschlos auf der Potsdamer Straße. Es ist kühl an diesem Samstag, es werden hellblaue Decken verkauft für 3 Euro. Einen Steinwurf entfernt, in der von hier aus nicht sichtbaren Neuen Nationalgalerie, die Fotografien von Hiroshi Sugimoto. Ich denke an die langzeitbelichteten Aufnahmen von Kinos mit dem strahlenden Weiß bildlosen Lichts auf der Leinwand. Hier, in der Berliner Wirklichkeit, ist die Leinwand wie von Schimmel befallen: braune Flecken, die sichtbar werden an hellen Stellen des Bildes. Gestrandet auf einer sinnlosen Schräge blicke ich auf ein hässliches Schlauchboot – nach einer Stunde ist mir kalt. Ich überlasse Elmar Wepper den Prostituierten und fahre nach Hause. EKKEHARD KNÖRER

Bar 25

Eigentlich ist es auch egal, ob hier nun ein Film läuft oder nicht. Oder meint wer, man käme wegen des Special-THX-Dolby-Megasurround und des gestochen scharfen Digikinobilds?

Die Bar 25 ist selbst Film genug mit ihren pittoresken Holzbretterbuden und den charmant abgehalfterten Zirkusattributen aus irgendeinem vergangenen Jahrhundert und dem hohen Nischen- und Hipsterfaktor, den die vielen Touristengruppen gerade krampfhaft zu reduzieren versuchen.

Nach dem Freiluft-Kintopp-Kulturintermezzo sollte man also den auf den harten Kinobänken etwas platt gesessenen Derriere mindestens auf die Baumschaukel oder auf das Schaukelpferd hieven oder ein wenig am Ufer entlangtigern, bis man wieder Gefühl da hinten hat. Nichts passt besser ins ausgewählte Filmprogramm als ein Werk wie „Ich begehre“ von Mario Mentrup und Volker Sattel, das heute im Rahmen des „Ausgezeichneter Sommer“-Festivals in der Bar 25 läuft – sämtliche DarstellerInnen sind, waren oder werden bestimmt irgendwann auch noch DJs, und überhaupt darf ein so surrealer und frappanter Liebesfilm natürlich nur in einem Nachtleben-Zusammenhang wie diesem flimmern.

Und wenn mal eine Vorführung ausfällt, weil Tief „Bruno“ angeblich später noch vorbeigucken will, muss man jedenfalls keine Notizzettel für die verspätete Begleitung an geschlossene Kinotüren kleben.

Sondern man lümmelt einfach in der Bar auf einem der Sofas herum, bis einer kommt, den man kennt. Und der einem Gesellschaft leistet, bis es hell wird.

JENNI ZYLKA

Freiluftkino Insel im Cassiopeia

Am Wasser sucht man dieses Kino vergebens, aber als eine Insel darf der Sommergarten Cassiopeia schon gelten. Auf dem Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerkes in Friedrichshain haben sich mehrere unabhängige Projekte ihre eigene Welt geschaffen, inklusive Kulturzentrum, Künstlerateliers und Konzertsaal. Auch hier gibt es Ärger mit Investoren, und der Bezirk versucht zu vermitteln. Dass sich die Bewohner des Bezirks gegen Mediaspree entschieden haben, könnte Bewegung in die Verhandlungen bringen.

Der Weg zum Kino führt vorbei an einem Kletterturm. Ein paar Meter unterhalb der Spitze klebt ein Mann an der grauen Betonwand. Er scheint unschlüssig, ob er es noch ganz hinauf wagen will, vielleicht hat er einfach auch nur den Rückweg vergessen.

Im Kino sitzt man auf weißer Plastikbestuhlung. Wenn es zu kühl wird, liegen Decken bereit. Ein Schild erklärt, wie das geht: „Decke holen – einkuscheln – zurückbringen“ oder so ähnlich. Die grauen Decken tragen noch das Logo eines Umzugunternehmens und riechen ein bisschen nach Motorenöl, aber das passt ja zur Umgebung.

Im Tausch dafür durfte der Spediteur einen Werbespot schalten, der recht unterhaltsam ist. Andere Vorfilme verlangen noch nachträglich, beim Bürgerentscheid gegen Mediaspree zu stimmen oder bei homophober Gewalt nicht wegzusehen, was leider noch immer aktuell ist.

Im Film leiden lauter schöne Menschen an Liebeskummer, weshalb sie ständig auf Tresenhockern sitzen und ihre Wodka-Rechnung vergrößern. Davon wird man selbst durstig, aber zum Glück ist die Bar nur ein paar Schritte entfernt.

DIETMAR KAMMERER

Freiluftkino Hasenheide

„Meinst du, die Fahrraddiebe kaufen ’ne Eintrittskarte? Ich schließ mein Rad trotzdem an“, sagt ein Typ mit Kuriertasche zu seinem Begleiter. Obwohl Räder mit ins Kino dürfen, haben geübte Hasenheidenbesucher gewisse Bedenken bei der Sicherheitslage. Aber die Dealer werden wohl kaum im Gebrauchtradhandel sein – man hört übrigens von Gras-Sonderangeboten in großen Tüten, die unseriös günstig sein sollen. Wenn nicht der Armen-Rummelplatz mit dem beliebten Schlägergerät, das den ganzen Tag den Satz sagt: „Hau mir so richtig was auf die Schnauze“ zu den Maientagen mit Achterbahn und Auto-Scooter bläst, lädt hinter dem Kino die schöne Hasenschänke bis spät abends unter ihr rundliches Betondach.

Das Kino selbst hat einen richtig romantisch leuchtenden Klowagen und viele gut abgestufte Plätze. Die hellblauen Plastikbänke sind mittelbequem, es kann nicht schaden, eine wärmende Po-Unterlage zu organisieren.

Manche bringen gleich Schlafsäcke oder große Häkeldecken mit, rauchen und ziehen schon bei den unendlichen Vorfilmtrailern ihre Schuhe aus. Was zwei Meter neben mir diese schrecklichen Minisocken zum Vorschein bringt, die einen in Sneakers barfuß aussehen lassen sollen.

Die Leinwand ist richtig groß. Dahinter steht rechts eine sterbende Eiche. Das ist in der Hasenheide normal, wo jeden Winter versucht wird, die alten Bäume durch Beschnitt zu retten. Am schönsten ist die kleine Bar (Bio Lammsbräu für 2,20 €) mit der darüber gebauten gläsernen Kanzel, in der man beobachten kann, wie die großen Filmrollen eingelegt werden. Läuft kein Film, läuft Musik von The Notwist. ANDREAS BECKER