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Archiv-Artikel

Betteln für die Kita

Hohe Mietpreise erschweren Krippenausbau in reicheren Wohngegenden wie Harvestehude. Am Eppendorfer Baum verteilten Kinder der Kirchen-Kita St. Nikolai Spendenaufrufe an Passanten

VON KAIJA KUTTER

Die Kita der Hauptkirche St. Nikolai in Harvestehude startete gestern auf ungewöhnliche Weise in die Ferien. Rund 80 Kinder strömten, von Erzieherinnen und Probst Johann Claussen begleitet, durch den Stadtteil am Eppendorfer Baum und verteilten Spendenbriefe an die Passanten. 200.000 Euro benötigt die Gemeinde, um ein ehemaliges Büro in der benachbarten Oderfelder Straße in eine Krippe für 33 Kleinstkinder umzubauen.

„Die Krippe wird dringend benötigt. Die Kita St. Nikolai hat mehr als hundert Namen auf der Warteliste“, sagt Kirchenkreissprecherin Christina Reiche. Zwar gibt es das „Krippenausbauprogramm des Bundes“, aus dem auch Hamburg bis 2013 47,5 Millionen Euro allein für Bau und Umbau neuer Kleinkinder-Kitas bekommt. „Das Geld kommt nicht an“, sagt Reiche. Zwar könne St. Nikolai von der Stadt einen Umbauzuschuss von rund 210.000 Euro bekommen. „Aber die gibt es nur als Kredit, die mit Zinsen an die Stadt zurück gezahlt werden müssen“.

Für diese Rückzahlung bleibt der Gemeinde angesichts der hohen Miete keine Luft. „Das Problem gibt es auch in anderen Innenstadtvierteln“, sagt Probst Claussen. Hochqualifizierte Frauen wohnen mit ihren Kinder in der Stadt und bräuchten Krippen. „Aber in Stadtteilen wie Harvestehude findet man keine Räume“.

So dauerte es auch ein Jahr, bis Räume gefunden wurden. Reiche: „Wir fanden keinen Vermieter, der eine Krippe im Haus haben wollte“. Die Auferstehungskirche in Eimsbüttel habe wegen dieser Probleme ihr Krippenprojekt um ein Jahr verschoben. In anderen Bundesländern würden die Kommunen mit dem Bundesgeld den Ausbau bezahlen und würden dies „nicht den Trägern überlassen“.

Die Sozialbehörde erklärt das Vorgehen mit der Logik des Hamburger Kita-Gutscheinsystem. Dies finanziert keine Häuser mit fester Platzzahl, sondern nur Pauschalsätze für die Kinder, die auch eine Komponente für Gebäudekosten enthalten. Die Rückzahlung der Zuschüsse sei nötig, um eine „Doppelfinanzierung zu vermeiden“, erklärt Sprecherin Jasmin Eisenhut.

120 Euro im Monat gibt es pro Krippenkind dafür, dass ein Kita-Träger ein Haus mietet oder baut. Problem nur: das wären im Harvestehuder Fall bei 30 Kindern rund 3.600 Euro, die bereits von der Kaltmiete von 3.604 Euro für 212 Quadratmeter verschlungen werden. „Überall dort, wo die Pauschale nicht ausreicht, bräuchten wir einen nicht rückzahlbaren Zuschuss“, fordert deshalb Uwe Mühling vom Diakonischen Werk. Die Behörde habe dies zunächst abgelehnt, habe aber inzwischen versprochen, diese Lösung „zu prüfen“.

„Auch wir haben großes Interesse, dass in Harvestehude Krippen entstehen“, sagt Eisenhut. Deshalb werde man mit der Gemeinde ein Konzept erarbeiten und den Zeitraum der Rückzahlung „individuell handhaben“.

Nun ist es vielleicht nicht gerecht, wenn ein wohlhabendes Viertel mehr bekommt als andere. Auch deshalb hat sich Probst Claussen gestern mit seinen Kita-Kindern auf die Straße gestellt. „Wir sehen uns auch in der Pflicht, aus dem Stadtteil Geld einzusammeln“, sagt der Pastor. „40.000 Euro haben wir schon“.