berliner szenen Wo ist Doris?

Auf der Auguststraße

„Jaaaa. Mehr Rot noch. Hier und hier und.“ Er stellte sich auf die Zehenspitzen und klatschte den Pinsel in die rechte obere Ecke der Leinwand. „Hier so. Feierabend.“ „Joey, Junge, haste dir verdient“, brüllte der Galerist von der Galerie herunter. Joe steckte den Pinsel in das Halfter und hockte sich breitbeinig auf den dreibeinigen Künstlerschemel. Er sah aus wie ein gefährlicher Berg. Zwischen den Farbtuben, den Lösungsmittelkanistern und den Bierdosen und den Kippen und dem Staub, der den Boden des Ateliers bedeckte. „Wo ist Doris?“, fragte er. „Wo ist Doris? Wo bleibt denn Doris?“

Zwischen den Beinen des Galeristen kam Biene zum Vorschein, sie half hin und wieder in der Galerie aus. Sie war Manni gleich aufgefallen auf der letzten Vernissage. Sie konnte gehen. Frauen, die gehen können, musste festhalten. Manni hatte nicht lang gezögert und sie eingestellt. Seitdem bediente Biene manchmal den Computer. „Doris kommt nicht“, rief sie über die Brüstung. „Scheiße, was soll das heißen“, gab Joe zurück. „Ich kann so nicht arbeiten. Saustall.“ Er schnappte sich einen der nagelneuen Besen, die seit einem halben Jahr in einer Ecke des Ateliers standen, und wischte damit über die Palette und dann kreuz und quer über die Leinwand. Als er fertig war, sah es aus, als hätte jemand ein Schwein geschlachtet. „Das isses, Joe. Das isses hundertpro!“ Manni hing extra weit über der Brüstung. „Kuck das an, Biene. Aber beeil dich, sonst isses weg, verkauft, was Joey.“

Joe saß wieder auf dem Künstlerschemel. Auf der Auguststraße spazierten sie so dahin. Er zog eine Farbtube mit dem Fuß zu sich heran und zerquetschte sie mit der Ferse. Dann schrieb er mit dem großen Zeh DORIS auf den Betonboden.

SASCHA JOSUWEIT