Des Wahnsinns Trommler lädt zum Workshop

Der Percussion-Künstler Martin Grubinger hatte zum Meisterkurs-Workshop nach Lübeck geladen. Innerhalb von zwei Tagen sollten Jugendliche dabei die Grundlagen der brasilianischen Samba erlernen – für den Ausnahme-Trommler eine politische Angelegenheit

Die Sitzreihen im Saal der Musikhochschule Lübeck sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Martin Grubinger ist auf der Bühne, trommelt, dass es einem schwindelig wird: so schnell, laut und virtuos zugleich. Der 25-jährige Österreicher ist ein weltweit bekannter und erfolgreicher Percussion-Künstler. Den rund 70 Jugendlichen stellt er sich gleichwohl grinsend mit dem Satz: „I bin de Martin“ vor. Grubinger wirkt so jung, dass er fast selbst noch am Workshop teilnehmen könnte. Dieser ist Teil des Schleswig-Holstein-Musikfestivals und hat zum Ziel, Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren im Verlauf von zwei Tagen die Grundlagen der brasilianischen Samba nahezubringen.

Dabei alle „auf ihrem Level abzuholen, ohne das sich jemand langweilt oder überfordert fühlt“, ist Grubingers erklärtes Anliegen. Zur Seite stehen ihm dabei sein Vater, Martin Grubinger, der Brasilianer Edison Tadeu, Ismael Barrios aus Venezuela und Mamadou Diabates aus Burkina Faso – allesamt dürfen sie als Ausnahme-Percussion-Künstler durchgehen. Und sind wohl nicht zuletzt deshalb fester Bestandteil des Grubinger Ensembles.

Im Kellerraum der Musikschule übt Papa Grubinger mit einem Teil der Jugendlichen die ersten Schritte für die Samba Batucada beim Abschlusskonzert an diesem Sonntag: Die Jugendlichen fangen an mit monotonem Stampfen, dann kommen die Shaker und Tambourine dazu. Anfangs wird noch sehr zaghaft zum Singsang „Marmelademarmelade“, gerüttelt und geschlagen. Eine nächste Gruppe mit dem Refrain „Apfelkompott, ja das schmeckt gut“ setzt ein. Jeder singt und stampft in seinem Rhythmus. Der Senior springt dazu mit hochrotem Kopf in der Mitte des Kreises auf und ab und treibt jeden an, im Takt zu bleiben: „Super, ja, weiter, schneller“. Das anfängliche Taktchaos hat sich gelöst, der Rhythmus sitzt. Die Jungen und Mädels sind wie in Trance von dem Schlagzeuglehrer, gehen mit und sind dem Rhythmus verfallen. Auch der unbeteiligte Beobachter ahnt nun, wo Grubinger junior seinen atemberaubenden Schlag-Wahn herhaben dürfte.

Eine andere Gruppe hat sich große, silberne Samba-Trommeln umgehängt. Auch sie beginnt nur zögerlich diese Klangobjekte zu bearbeiten. Edison Tadeu stellt sich mit dem Rücken zu den Jugendlichen und gibt den Takt vor, indem er Arme und Beine mitwiegt. Schläge wummern, jetzt wird es richtig laut und bald ist auch hier alle Scheu verloren. Der vierzehnjährige Lennart ist begeistert: Dieser Workshop sei ganz anders als der normale Schlagzeugunterricht, sagt er, und dass er in den wenigen Stunden „so super viel gelernt“ habe.

Martin Grubinger widmet sich mit der „Schlagzeug-Gruppe“ – denjenigen, die etwas größere Vorkenntnisse haben. Hier wird auf Bongos und Timbales getrommelt. Die Workshops seien sein persönliches „gesellschaftspolitisches Engagement“, sagt er: Musik können den Menschen dabei helfen, sozialer, geduldiger und offener zu werden. Mit den Workshops hoffe er nicht zuletzt rassistischen Ressentiments entgegentreten. Wer jemals „mit so jemand großartigemn wie Edison Tadeu gespielt hat“, sagt der Ausnahme-Perkussionist, „der wird niemals Haider wählen“. Davon sei er überzeugt. RABEA WACHSMANN