: Umweltfreundliche Atomkraft?
betr.: „Schwarz-grüne Kernkompetenz“, taz vom 16. 7. 08
In der Debatte über den Atomausstieg werden zwei Argumente regelmäßig vergessen: wo das Uran herkommt beziehungsweise unter welchen Bedingungen es abgebaut wird sowie die fälschlich behauptete Klimaneutralität.
Deutschland verbraucht für seine 17 Atomreaktoren jährlich rund 3.000 Tonnen Uran, die vor allem aus Frankreich, Großbritannien, Kanada, den USA und Russland importiert werden. Denn seit Schließung der Uranminen der Wismut-AG in Ostdeutschland im Jahr 1991 – zur Erinnerung: rund 20.000 Strahlenopfer; rund 6,5 Mrd. Euro Sanierungskosten aus Steuermitteln – ist Deutschland zu 100 % importabhängig von Uran. Doch werden auch in Frankreich und Großbritannien selbst keine Uranminen mehr betrieben – es handelt sich also um Reexporte aus Ländern wie Niger, Namibia und Australien. Laut einer aktuellen Studie der Gesellschaft für bedrohte Völker vom Dezember 2007 befinden sich 70 % der weltweiten Uranvorkommen auf dem Land indigener Völker (www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id= 1182&highlight=uran). Aufgrund überwiegend geringer Urankonzentrationen von 0,1% müssen gigantische Gesteinsmassen bewegt werden, um einen Bruchteil des radioaktiven Metalls zu gewinnen. Dabei entstehen enorme Mengen radioaktiven Abraums sowie saure Auswaschungen („acid drainage“) anderer Schwermetalle, die das Grundwasser belasten. Radioaktiver Staub und Radongas belasten die Lebensräume der AnwohnerInnen und haben in vielen Ländern zur Häufung von Krebserkrankungen und genetisch bedingten Missbildungen in der Nähe von Uranminen geführt (Beispiele: Arlit, Niger; Jadugora, Indien). Dazu kommt der immense Wasserverbrauch in teilweise sehr trockenen Gebieten.
Die großflächige Zerstörung der Landschaft durch den Uranabbau in Australien, den USA, Kanada, Niger oder Indien vernichtet die Lebensgrundlagen von Indianern und Inuit, Aboriginal Australians und nigrischen Tuareg, Adivasi in Indien und anderen indigenen Völkern. Die internationalen Urankonzerne sowie die deutsche Atomindustrie erkennen ihre Verantwortung hierfür nicht an – so erhielt der französische Atomkonzern Areva (an dem Siemens beteiligt ist) im Januar 2008 parallel zum Weltwirtschaftsforum in Davos den „Public Eye Award“, einen Schmähpreis für Mangel an sozialer Unternehmerverantwortung, anlässlich der im Niger verursachten radioaktiven Verseuchung von Luft, Wasser und Boden sowie Missachtung der Menschenrechte der lokalen Tuareg-Bevölkerung.
Zudem ist Strom aus Atomkraft keinesfalls CO2-frei wie die Atomindustrie gerne behauptet: Laut Berechnungen des Ökoinstituts von 2007 werden pro Kilowattstunde Atomstrom zwischen 31 und 65 Gramm CO2-Äquivalente emittiert (www.oeko.de/oekodoc/318/ 2007-008-de.pdf). Hierin sind der äußerst energieintensive Uranabbau, die Urankonzentration, -anreicherung, -transport sowie der Bau der Atomkraftwerke eingerechnet.
Es bleibt zu wünschen, dass diese beiden Argumente zukünftig verstärkt aufgegriffen werden, wenn es um die Entscheidung zukunftsfähiger, sozial und ökologischer Energiealternativen für das 21. Jahrhundert geht. Dabei muss das Energiesparen immer an erster Stelle stehen. ULRIKE BICKEL, Aachen