unterm strich
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Eine von ungarischen Nazi-Sympathisanten organisierte Vorführung des antisemitischen deutschen Propagandafilms „Jud Süß“ (1940) in Budapest erfolgte ohne den Erwerb der dafür nötigen Rechte! Dies erklärte ein Sprecher der Wiesbadener Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, die sich im Besitz dieser Rechte befindet, am Montag gegenüber der ungarischen Nachrichtenagentur MTI, worüber uns wiederum die deutsche Nachrichtenagentur dpa informiert. Man werde juristische Schritte prüfen, fügte er hinzu. Er habe in diesem Zusammenhang bereits das deutsche Außenministerium um Hilfe ersucht. Veit Harlans Hetzfilm „Jud Süß“ war einst vom nationalsozialistischen Propagandaminister Joseph Goebbels in Auftrag gegeben worden. Er wurde Anfang des Monats zweimal in einem Budapester Kellerraum abgespielt. Zu den Vorführungen, für die auch Eintritt kassiert wurde, konnte man sich über einschlägige rechtsextreme Webportale anmelden. Als Veranstalter wurden der rechtsextreme Verlag der Brüder Gede sowie die Gattin des rechtsextremen reformierten Pfarrers Lorant Hegedüs jr. genannt. Ein Reporter der linken Tageszeitung Népszava, der sich Zugang zu einer der beiden Vorführungen verschafft hatte, beschrieb das Publikum als eher gutbürgerlich. Die Teilnehmer hätten Szenen, in denen die gängigen Vorurteile gegenüber den Juden dargestellt wurden, mit zustimmenden Äußerungen und Zwischenrufen quittiert. Offen bleibt angesichts dieser Meldung natürlich die Frage, was schlimmer ist: dass sich Ungarns Bürger heimlich in Kellern Raubkopien ansehen? Dass für „Jud Süß“ Eintritt verlangt und bereitwillig bezahlt wird? Oder dass der Antisemitismus in Ungarn erst Nachrichtenwert bekommt, wenn Copyrights verletzt werden?