american pie : Kulturrevolutionskollateralschaden
Mao hat Baseball verboten. Nun kehrt der Sport wegen Olympia nach China zurück – ausgerechnet mit amerikanischer Hilfe
Mao Tse-tung ist schuld. Die Kulturrevolution, die der Große Vorsitzende in den späten Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts einleitete, hat nicht nur Millionen Menschenleben auf dem Gewissen, sondern auch Baseball. Nein, dieser Sport war eindeutig zu amerikanisch und damit konterrevolutionär.
Damals nur ein Kollateralschaden blutiger gesellschaftlicher Umwälzungen, hat sich Baseball in der Volksrepublik China bis heute nicht von Mao erholt. Im Gegensatz zum Rest von Asien. In Ländern wie Japan oder Korea ist Baseball eine große Nummer. Auch in Taiwan: Dort ist Baseball Volkssport und die größten Talente spielen in den beiden amerikanischen Major Leagues (MLB).
Bei Olympischen Spielen allerdings muss in allen Mannschaftsportarten ein Team des Gastgebers antreten. Also auch im Baseball. Auch in Peking. Ein Problem für die Sportfunktionäre im Riesenreich. Das nun aber ausgerechnet mit tatkräftiger und finanzstarker Hilfe aus dem Lande des Klassenfeindes gelöst werden soll.
Die MLB höchstselbst finanziert seit fünf Jahren Chefcoach Jim Lefebvre und die amerikanischen Trainer, die er mitgebracht hat. Der größte Teil des Team-Budgets wird ebenso mit amerikanischem Geld finanziert. Lefebvres Mission: „Unser Ziel ist nicht die Goldmedaille. Wir wollen uns vor allem nicht blamieren.“
Dieses hehre Ansinnen allerdings ist dem Gastgeberland kaum etwas wert. Aus den chinesischen Sportfördertöpfen wird die Baseball-Nationalmannschaft kaum bedacht. Im Gegensatz zu den Sportarten, die versprechen, die Volksrepublik im Medaillenspiegel weit nach vorne zu bringen.
Natürlich ist das MLB-Engagement nicht ganz uneigennützig. Nicht nur das Nationalteam wird unterstützt, sondern auch die Breitensportbasis gefördert: Trainer werden ausgebildet, Jugendliche begeistert. Im März spielten die San Diego Padres und die Los Angeles Dodgers in Peking, und längst reisen die Scouts der MLB-Teams durchs Land und suchen nach Talenten. Das nach eigenen Angaben bislang achtstellige Dollar-Investement soll den gewaltigen Markt im Reich der Mitte mit 1,3 Milliarden potenziellen Fans für den Sport erschließen.
Dabei kann China durchaus auf eine Baseball-Tradition zurückblicken: Bereits 1863 wurde der Shanghai Baseball Club gegründet. Und Ende der 1950er-Jahre spielten 30 Regionalteams eine Meisterschaft aus. Doch dann kam die Kulturrevolution. Erst in den späten Achtzigern kehrte Baseball in die Volksrepublik zurück: In Tianjin, nicht weit von Peking, entstand ein erstes Stadion. Seit 2002 schließlich gibt es sogar eine Profi-Liga: Die aber steckt noch in den Kinderschuhen und zählt gerade mal sechs Teams. Allerdings hat man unlängst einen Kooperationsvertrag mit den New York Yankees abgeschlossen. Der reichste Sportklub der Welt ist wie üblich ganz vorne dabei, wenn es darum geht, neue Absatzmärkte zu erobern.
Doch ob sich die amerikanischen Investitionen lohnen werden, bleibt abzuwarten: Die Hoffnungen ruhen momentan vor allem auf Wang Wei. Das größte chinesische Talent ist 2007 von den Seattle Mariners verpflichtet worden, aber konnte sich noch nicht durchsetzen. Die Nationalmannschaft allerdings trainiert trotz der Dollar-Millionen mit gebrauchtem Equipment und in einem völlig veralteten Kraftraum. Und der eigens für die olympischen Baseball- und Softball-Wettbewerbe in Peking errichtete Wukesong-Komplex mit zwei Stadien und Trainingsgelände soll nach den Spielen wieder abgerissen werden.
Immerhin reichte das Geld für einige Trainingslager im gelobten Land. Im vergangenen Frühling, beim letzten Trip durch die USA, trat das Nationalteam gegen Universitäts-Mannschaften an und fuhr zum ersten Mal mehr Siege als Niederlagen ein. Trotzdem sind die sportlichen Aussichten für Olympia eher düster: Die Experten trauen den Chinesen bestenfalls einen Zufallserfolg gegen eins der sieben Teams zu, die sich sportlich qualifiziert haben. Assistenztrainer Barry Larkin, früher selbst MLB-Star in Cincinnati, meint, seine Schützlinge hätten ungefähr das Niveau einer guten amerikanischen Highschool-Mannschaft.
Die darf aber trotzdem keinen allzu peinlichen Eindruck hinterlassen. Denn sollten die Auftritte der chinesischen Auswahl allzu desaströs ablaufen, wäre der chinesische Stolz verletzt und die Zukunft des gesamten Sports schon wieder gefährdet. Ein begeisterndes Auftreten dagegen, vielleicht sogar ein Sieg am 15. August im Spiel gegen das abtrünnige Taiwan könnten dem Baseball 32 Jahre nach dem Tod Maos einen historischen Schub geben. THOMAS WINKLER