: Potent und auf ewig jung dank Dr. Dabić
Doktor Dragan David Dabić alias Radovan Karadžić praktizierte jahrelang als Arzt für alternative Medizin in Serbiens Hauptstadt Belgrad. Auf die Idee, einen der meistgesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher vor sich zu haben, kam niemand
AUS BELGRAD ANDREJ IVANJI
„Haben Sie sexuelle Probleme? Leiden Sie unter Depressionen? Wollen Sie jünger und schöner aussehen? Alle diese Probleme können durch die Methode der Human Quantum Energie, HQE, gelöst werden“, steht auf der Website psy-help-energy.com. Das Altern könne aufgehalten, die Jugend verlängert, die Frische des Körpers und des Gesichts erhalten werden, verspricht das „David-Wellbeing-Programm“.
„Auf Krankheiten soll man nicht warten, vertrauen Sie uns ihre Gesundheit an, damit Sie leichter die Hürden des Lebens meistern können“, wirbt David für seine bioenergetische Behandlungsweise. Der menschliche Organismus stünde unter dem Einfluss verschiedener Energiequellen und die Balance dieser Energien sei die Voraussetzung für Gesundheit. Zwei Handynummern und die E-Mail-Adresse dddavid@psy-help-energy.com werden angegeben, unter denen man Dr. Dragan David Dabić erreichen und auch „heilende“ Amulette bestellen kann.
So manche Patienten ließen sich von Dr. Dabić in einer privaten Praxis in Belgrad behandeln. Sie hatten keine Ahnung, dass sie es mit Radovan Karadžić zu tun hatten – dem Kriegsherrn der bosnischen Serben und dem Mann, der wegen einem der schlimmsten Kriegsverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg steckbrieflich vom UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen gesucht wird. Während ihn die ganze Welt suchte, lebte Karadžić in Belgrad, praktizierte als Arzt, hielt Vorträge und schrieb über ein Jahr lang für die Zeitschrift Zdrav Zivot (Gesundes Leben).
„Es ist mir nicht im Traum eingefallen, dass vor mir Radovan Karadžić sitzt“, erzählt deren Chefredakteur Goran Kojić. Er beschreibt Dr. Dabić als einen ungewöhnlich höflichen, angenehmen und redegewandten Mann mit Sinn für Humor. Sein Aussehen sei „eigenartig“ gewesen, er hatte langes weißes, zu einem Zopf gebundenes Haar, einen langen grauen Bart und trug eine Brille. Er habe positive Energie und eine heitere Stimmung ausgestrahlt, meint Kojić.
Noch im Juni hatte Dabić einen Text unter dem Titel „Glauben Sie an die Welt oberhalb der Sinne“ veröffentlicht, in dem er über Vorzüge meditativer Aktivitäten und Gebete schreibt. Dabić alias Karadžić stellte sich als Flüchtling aus Kroatien vor. In Belgrad erzählte er, dass er Neuropsychiater sei, einige Jahre in Amerika gelebt habe, geschieden sei und alle seine Diplome bei seiner Frau geblieben seien.
Die Legende klang so überzeugend, dass niemand hinter dem etwas komischen Dabić den serbischen Herrscher über Leben und Tod in Bosnien vermutete. Während Sicherheitsdienste aller Herrenländer Karadžić suchten, von Dutzenden bewaffneten Leibwächtern, die bereit seien, ihr Leben für Radovan zu opfern, die Rede war, lebte Dabić als Untermieter in Belgrad, wechselte oft die Wohnung und benutzte öffentliche Verkehrsmittel. Seine Nachbarn, Patienten und Kollegen sahen in ihm einen sympathischen Mann, der sich für alternative Medizin begeisterte. Dabić hielt Vorträge und nahm an Diskussionen über Bioenergie in ganz Serbien teil – zum letzten Mal im Mai in Belgrad.
Karadžić war in seinem früheren Leben ein passionierter Pokerspieler. Psychologen meinen, dass er es genossen haben muss, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen und statt Geld seine Freiheit einzusetzen. Auf seiner Website sagt Dr. Dabić: „Sie werden nie mehr allein und hilflos sein. Es gibt keine ausweglose Situationen.“ Diesen Rat wird Karadžić nun gut gebrauchen können.