Rechtsextreme greifen fremdes Land an

Vor der Kommunalwahl in Brandenburg versucht sich die NPD ein friedliches Image zuzulegen und mit Sozialthemen zu punkten. Wenn sie ein gutes Ergebnis erzielt, steht das deutschlandweite Bündnis mit der DVU auf der Kippe

Nach der Beisetzung eines gestorbenen Rechtsextremisten haben zwei Neonazis am Samstag in Passau eine Ausländerin tätlich angegriffen. Die beiden Männer beleidigten in der Innenstadt die Frau zunächst. Nach Angaben der Passauer Polizei schlugen sie danach der Frau ins Gesicht. Die beiden Täter wurden unmittelbar nach dem Angriff vorläufig festgenommen. Wegen anderer Angriffe von Rechtsextremisten waren die Beamten ohnehin alarmiert. An der Beisetzung ihres Gesinnungsfreundes auf dem Friedhof St. Korona hatten laut Polizeiangaben rund 90 Rechtsextremisten teilgenommen. Nach der Trauerfeier hätten mehrere Neonazis eine 18-jährige Frau und einen 35-jährigen Mann angegriffen. Der 35-Jährige sei als Reporter gekommen. Beim Versuch, ihm die Kamera zu entreißen, hätten die Neonazis ihn niedergeschlagen und getreten. Das Opfer erlitt Prellungen am Rücken und im Gesicht. Die Polizei nahm drei Täter vorläufig fest. DPA

POTSDAM taz ■ Ein NPD-Wachschutz patrouilliert für mehr Sicherheit an einem Badesee im Dorf Zeischa. An einer Schule in der Kleinstadt Erkner verteilen Neonazis Flugblätter gegen angebliche türkische Schlägerkommandos, und in der Nähe von Cottbus demonstrieren sie gegen die Bergbauumsiedlungen. Die brandenburgische NPD befindet sich im Wahlkampf zur Kommunalwahl im Herbst und setzt dabei auf ein biederes, volksnahes Image.

„Gewaltfreiheit“, propagiert Klaus Beier, NPD-Landesvorsitzender in Brandenburg und Sprecher der Bundespartei. „Weil wir uns lieber um die demografische Entwicklung kümmern, die Schulschließungen und die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung.“

Die NPD werde bis ins „kleinste Dorf“ ziehen, um für Unterstützung zu werben. Brandenburgs Verfassungsschutzchefin Wilfriede Schreiber bewertet die Charmeoffensive der Neonazis kritischer: Die NPD- Mitglieder würden sich jetzt natürlich mit gewalttätigen Aktivitäten zurückhalten, „im Gegensatz zu den mit der NPD kooperierenden parteiungebundenen Neonazis, die für die NPD bei Demonstrationen und an Infoständen von großer Bedeutung sind“. Jüngstes Beispiel: In der uckermärkischen Stadt Templin haben zwei Rechtsradikale Anfang der Woche einen 55-jährigen Tischler erschlagen.

Der flächendeckende Erfolg der Nazis bei der sächsischen Kommunalwahl Anfang Juni scheint den Rechtsextremen in Brandenburg Auftrieb zu geben. Sie erhoffen sich Ende September einen Ausbau ihrer bisherigen drei Kreistagsmandate. Deswegen wirbt die 250 Mitglieder starke NPD mit sozialer Gerechtigkeit, einem starken Staat und für ein exklusives Wir-Gefühl.

Diese Taktik brachte der DVU bei den letzten Landtagswahlen in Brandenburg 6,1 Prozent ein. In Sachsen half den Nationaldemokraten zudem noch eine sehr niedrige Wahlbeteiligung von 45,8 Prozent. Eine Gefahr, die auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) für den herbstlichen Urnengang im eigenen Bundesland sieht. Etwas hilflos wirbt er für eine hohe Wahlbeteiligung, „damit diese rechten Rattenfänger keine Chance haben“.

Die Sorgen der Bürger seien auf dem Land für die etablierten Parteien meist nur schwer zu greifen, sagt Werner Patzelt, Politikwissenschaftler an der Technischen Universität Dresden. Von CDU bis Grüne würden die Parteien nicht deutlich genug sagen, dass soziale Gerechtigkeit ein allgemeines Anliegen sei und „wir bereits einen starken Staat haben, wie ihn die NPD fordert“.

Das versucht die NPD zu nutzen. Auf ihrer Homepage schreibt die Partei, dass sie sich nicht nur vor Wahlen um das Wahlvolk bemühe, sondern sich auch „während der jeweiligen Legislaturperiode um die Sorgen und Nöte der Bürger kümmert“. In der Tat habe sie sich ein Skelett an Sachthemen zugelegt, sagt Dirk Wilking, Geschäftsführer des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in Brandenburg. Allerdings sei diese Kenntnis zumeist oberflächlich und diene zumeist dazu, den Anschein seriöser Politik zu erwecken. Durch die Aufteilung der Wahlkreise mit der DVU, die es auch nur auf knapp 250 Mitglieder schafft, können die Rechtsextremen zur Kommunalwahl in Brandenburg fast flächendeckend antreten. Allerdings ist unter Experten unbestritten, dass die NPD bei einem erfolgreichen Abschneiden den Deutschlandpakt von 2005 mit der DVU kippen wird – trotz gegenteiliger Beteuerungen des Landeschefs Beier. Mit diesem Vertrag hatten die beiden Parteien die Bundesländer bei Wahlen unter sich aufgeteilt, um sich nicht gegenseitig die Stimmen wegzunehmen. Brandenburg ist bis 2009 eigentlich DVU-Territorium.

Das steht jetzt in Frage. Die Wahlen im Herbst dienten der NPD nur als Brückenkopf, sagt Wilking vom Mobilen Beratungsteam. „Denn die wirklich lukrativen Stellen gibt es ja erst im Landtag.“ CARL ZIEGNER