: Das Gesetz
Parken in Deutschland
Seit gefühlten 20 Minuten versucht die Frau einzuparken. Das ist nicht einfach, denn die Straße ist stark befahren und die Parklücke zu klein für ein bequemes Einparkmanöver. Sie sitzt alleine hinter dem Steuer, kann also auch nicht den Beifahrer zum Einweisen auf den Gehweg schicken. Zwischendurch muss sie halb in der Parklücke verharren, wenn die Ampel an der Kreuzung wieder einen neuen Schwall Autos an ihr vorbeilässt.
Ein älterer Herr beobachtet das Geschehen schon seit geraumer Zeit. Graue Haare, graue Jacke, graue Schuhe. Schließlich entscheidet er sich, aus dem Schatten der Straßenbäume herauszutreten und ihr zu helfen. Als die Fahrerin das nächste Mal einschlägt, steht er an der Bordsteinkante und zeigt ihr den Abstand zu dem Wagen vor ihr. Dankbar lächelnd steigt sie aus dem Auto und beginnt, Tüten aus dem Auto auf den Gehweg zu stapeln. Beim Abschließen des Kofferraums versucht der Herr, sie anzusprechen, doch sie dreht ihm den Rücken zu und ein vorbeidonnernder Lastwagen verhindert, dass sie ihn hört.
Sie wendet sich zum Gehen, als der Herr sie an der Jacke festhält. Erstaunt dreht sie sich um. Er weist auf das Halteverbot-Schild am Straßenrand. Jetzt lächelt die Frau nicht mehr, sondern schaut wütend. Die beiden entwickeln ein Wortgefecht, in dessen Verlauf er immer wieder auf das Schild deutet und sie immer wieder auf das Auto. Schließlich stampft sie mit dem Fuß auf den Boden, schließt das Auto auf und stapelt die Tüten wieder in den Kofferraum. Beim Ausparken steht der Herr am Gehweg und weist ihr den Abstand zu dem Wagen vor ihr. Als die Frau mit ihrem Auto davonbraust, sieht er ihr nach. Dann tritt er in den Schatten der Straßenbäume. Und wartet. SVENJA BERGT