: Abkehr von unmenschlicher Asylpolitik
Die australische Labor-Regierung kündigt das Ende der umstrittenen Zwangsinternierung von Asylsuchenden an. Flüchtlingsorganisationen sprechen von einer fundamentalen Verbesserung der bisherigen Flüchtlingspolitik
AUS CANBERRA URS WÄLTERLIN
Australien schafft die Zwangsinternierung aller papierlosen Asylsuchenden ab, die als sogenannte Boat People ins Land kommen. „Verzweifelte Menschen werden nicht dadurch abgeschreckt, dass ihnen eine harte Internierung angedroht wird“, erklärte Einwanderungsminister Chris Evans am Dienstag. „Sie flüchten häufig vor noch viel schlimmeren Bedingungen“.
Flüchtlinge sollen künftig normal leben können, bis ihr Asylgesuch entschieden sei. Die bisherige, von Kritikern „unmenschlich“ genannte Internierung in Lagern werde nur noch bei denjenigen angewendet, die als „Gefährdung“ gelten. Ihnen werde aber rechtlicher Beistand angeboten, erklärte Evans. Auch Kinder würden nicht mehr interniert. Und die Behörden sollen den oft jahrelangen Anerkennungsprozess beschleunigen.
Im Januar hatte die neue Labor-Regierung von Premier Kevin Rudd schon die Lager auf abgelegenen Pazifikinseln geschlossen. Dorthin waren unter seinem konservativen Vorgänger John Howard seit 2001 Asylsuchende verbannt worden. Auch in von Elektrozäunen und Stacheldraht umgebenen Lagern in Australiens isoliertem Outback mussten die oft aus Afghanistan und Irak stammenden Flüchtlinge teilweise Jahre ausharren, darunter hunderte Kinder.
Flüchtlingsorganisationen begrüßten die jetzige Kehrtwende. Laut amnesty international (ai) passe sich Australien damit der Flüchtlingspolitik anderer westlicher Demokratien an. Bis zu 380 derzeit internierte Asylsuchende könnten in Kürze entlassen werden, so ai. Jack Smit von der Flüchtlingsorganisation Project SafeCom sprach von fundamentaler Verbesserung. Er kritisierte jedoch, dass über die Internierung so genannter gefährlicher Asylbewerber allein die Einwanderungsbehörde entscheide, die unter Howard „immer mehr politisiert worden“ sei. Rudd habe bisher versäumt, die Behörde „auszumisten“.
Zwar hatte Labor-Premier Paul Keating Anfang der 90er Jahre die Internierungspolitik begonnen. Verfeinert und als politische Waffe genutzt aber wurde sie vom erzkonservativen Howard. Der stand vor einer Wahlniederlage, als vor der australischen Weihnachtsinsel das norwegische Frachtschiff „Tampa“ erschien. Es hatte über 300 Flüchtlinge aus Seenot gerettet, die nach Australien wollten. Howard verweigerte der „Tampa“ die Einfahrt in australische Gewässer. Mit der Begründung, es könnten unter ihnen Terroristen sein, ließ er das Schiff stürmen. Die erschöpften Flüchtlinge wurden auf die Pazifikinsel Nauru verfrachtet. Damit hatte Howard die „Pazifische Lösung“ erfunden, wie er die abschreckende Politik nannte. Die Vereinten Nationen kritisierten sie als Verstoß gegen die Menschenrechte.
Kritiker warfen Howard vor, aus machtpolitischen Gründen Fremdenangst zu schüren. Denn ein großes Problem waren die Flüchtlinge nie. Im Schnitt schafften es pro Jahr ein paar Dutzende bis in australisches Territorium. Doch Howards Rechnung ging auf: Er wurde kurz darauf wiedergewählt.
Er bezeichnete alle Boat People als „Illegale“, obwohl laut internationalem Recht jeder Mensch in einem Drittland Asyl beantragen darf. Viele Bootsflüchtlinge wurden durch lange Gefangenschaft traumatisiert. Dabei waren die meisten echte Flüchtlinge laut UN-Definition: 98 Prozent wurden anerkannt.
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