: „Eine Koalition braucht eine breite Basis“
Keine hessischen Verhältnisse: Hubert Ulrich, Grünen-Fraktions-Chef im Saarland, schließt eine rot-rot-grüne Koalition nach der Wahl nicht aus. Schwarz-Grün hält er für schwierig: „In wichtigen Fragen sind wir sehr weit auseinander“
HUBERT ULRICH, 46, ist der Fraktionschef der saarländischen Grünen. Seine Themen sind Haushalts- und Wirtschaftspolitik.
taz: Herr Ulrich, müssen die Grünen um den Wiedereinzug in den saarländischen Landtag bangen?
Hubert Ulrich: Nein, ich denke nicht. Die Wähler können sehr wohl zwischen populistischem Getöse und seriösen Inhalten unterscheiden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation im Saarland werden die Grünen dringender denn je gebraucht, denn es gibt Handlungsbedarf in vielen Bereichen – beispielsweise in der Bildungspolitik, aber vor allem auch in der Energie-, Klima- und Umweltpolitik. Wir wollen im Gegensatz zu einigen Wettbewerbern heute Politik machen, die auch nachfolgenden Generationen gerecht wird.
Vor einem Jahr haben Sie mit einer Ampelkoalition sympathisiert. Eine solche ist angesichts der Umfragen aber unwahrscheinlich. Welche Konstellation favorisieren Sie heute?
Eines steht jedenfalls fest: Wir wollen den Politikwechsel im Saarland. Und wir haben, abgesehen von der Kohlepolitik, noch immer eine große politische Schnittmenge mit der SPD. Ob es eine wie auch immer geartete formelle Koalitionsaussage geben wird, entscheidet ein Parteitag im nächsten Jahr. Es ist aber auch klar, dass Koalitionsfragen deutlich schwieriger geworden sind und deswegen auf eine breite Basis gestellt werden müssen.
Ist für sie Rot-Rot-Grün eine Option? Die Grünen mit Oskar Lafontaine, könnte das klappen?
Grundsätzlich muss das Land regierbar bleiben. Hessische Verhältnisse sind das Letzte, was wir wollen. Deshalb sollte man nie eine Konstellation kategorisch ausschließen. Die Linke hat aber noch nicht einmal ein landespolitisches Programm vorgelegt. Lafontaine jedenfalls reicht uns als Programm nicht aus.
Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg regiert bisher geräuschlos und pragmatisch. Ein Modell für das Saarland?
Das wäre im Saarland im Moment sehr schwierig. In wichtigen Fragen sind wir sehr weit auseinander. Die CDU zeigt keine Bereitschaft, sich inhaltlich entscheidend zu bewegen. Das beginnt bei der Frage nach der Reform des Schulsystems, geht über den Klima- und Umweltschutz bis hin zur Innovations-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das geradezu euphorische Bejubeln der Atomkraft durch die Saar-CDU hat die Gegensätze noch verschärft.
Im Saarland herrscht seit 1999 unangefochten die CDU. Im Jahr 1999 errang Ministerpräsident Peter Müller mit seiner Partei die absolute Mehrheit, die er bei den Wahlen 2004 sogar noch ausbauen konnte. Im Herbst wählen die BürgerInnen des Saarlandes eine neue Landesregierung. Und es könnte eng werden für Müller: Laut einer im März von Emnid veröffentlichten Umfrage liegt die CDU derzeit bei 40 Prozent. Die SPD käme auf 25, die Linke auf 19 und die FDP auf 8 Prozent der Wählerstimmen, die Grünen bekämen 7 Prozent. Wenn sich die Landes-SPD zu einer Zusammenarbeit mit der Linken durchringt, die im Saarland Oskar Lafontaine anführt, wäre ein rot-rot-grünes Bündnis also möglich. SPD-Landeschef Heiko Maas schließt diese Option nicht explizit aus. TAZ
Es gibt Gerüchte, wonach die Bergbaugegner bei den Landtagswahlen antreten wollen. Wäre das der Todesstoß für die Grünen, die sich bislang als parlamentarischer Arm der Bergbaugeschädigten verstanden?
Ein Antreten der Bergbaugeschädigten könnte in der Tat den Kräften schaden, die sich politisch immer für diese Menschen eingesetzt haben. Eine Einthemenpartei ist angesichts der vielfältigen Problemstellungen im Saarland aber sicher auch vielen Betroffenen einfach zu wenig. Da wir im Gegensatz zu einer möglichen „Bergbaubetroffenenpartei“ aber viele politische Inhalte anbieten, glaube ich, dass nach wie vor viele der Betroffenen auch Grün wählen werden und unsere bisherige Politik damit bestätigen. INTERVIEW: KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT