: Die größte Eishöhle der Welt
Grandioses Meisterwerk der Natur: Im Salzburger Land klafft in 1.570 Meter Höhe ein großes, dunkles Loch im Felsen. Drinnen hat sich die kühle Ruhe von Jahrmillionen angesammelt. Hier können selbst die vielen Besucher nicht stören
Infos: Eisriesenwelt Werfen: Tel.: 00 43 (0) 64 68 5248 bzw. 52 91 www.eisriesenwelt.at
Geöffnet: 1. Mai – 26. Oktober Preis mit Seilbahn: 19 Euro
Anfahrt: Pkw: über die Salzachtal-Bundesstraße, die Tauernautobahn (A10). Vom Markt in Werfen (rund 40 km südlich von Salzburg) führt eine ca. 5 Kilometer lange asphaltierte Zufahrtsstraße zum Eisriesenwelt-Parkplatz.
Öffentliche Verkehrsmittel: Bahn bis Zugstation Werfen, ab da örtlicher Linienbusverkehr, jeweils um 8.20 Uhr, 10.20 Uhr, 12.20 Uhr und 14.20 Uhr sowie nach Anmeldung unter: 00 43 (0) 64 68/52 93 oder E-Mail: eisriesenwelt.linie@aon.at
Ab dem Eisriesenwelt-Parkplatz 15 Minuten Fußweg zur Seilbahn, ab Bergstation der Seilbahn 15 Minuten Fußweg zum Höhleneingang, Fußweg ohne Seilbahn vom Parkplatz aus 2 Stunden.
Fakten: Gesteinsart: Dachsteinkalk. Entdeckung: 1879. Schauhöhle seit 1920. Länge: 42 Kilometer. Öffentl. begehbar: 1 Kilometer. Größte Eishöhle der Welt.
Wachstumsweise von Eisformationen: Man unterscheidet zwischen Stalaktiten und Stalagmiten. Ein Stalaktit ist ein zapfenförmiger Tropfstein aus Kalziumkarbonat, der im Gegensatz zum Stalagmit von der Decke der Höhlen nach unten wächst. Ein Stalagmit ist ein vom Boden nach oben wachsender Tropfstein.
VON KORNELIA STINN
In den karstigen Felsformationen des Tennengebirges schuf die Natur im Salzburger Land bei Werfen die größte Eishöhle der Welt. Mit der steilsten Seilbahn Österreichs gelangt man zu jenem Punkt auf 1.570 Metern Höhe, wo einem kein Fahrzeug mehr weiterhelfen kann. Von hier aus bietet sich der erste Blick auf jenes große dunkle Loch, hinter dem glitzernde Riesen mit gefrorenem Atem in ihrem Reich meditieren. Aber der Weg dorthin dauert noch siebzig Höhenmeter, fünfzehn Minuten und etliche Felsgirlanden mit schwindelnden Ausblicken auf den sich tausend Meter tiefer windenden Lauf der Salzach. Lang ist das nicht, aber schweißtreibend. Und das erhöht die Vorfreude auf die eisige Erfrischung, die im Bauch des Felsens lauert.
So denken wohl an diesem knallheißen Sommertag ziemlich viele Menschen. Nicht endende Schlangen Eissüchtiger schieben sich bergauf. Und dann beginnt das große Warten. Nur mit Führer nämlich dürfen die ehrwürdigen Hallen betreten werden. Zu sommerlichen Spitzenzeiten werden 2.000 Gäste am Tag von 14 Mitarbeitern durch dieses Meisterwerk der Natur geschleust. Studenten zumeist, so wie Stefan.
Der hat seine letzten Schäfchen gerade entlassen und wird bereits von einer neuen Horde bestürmt. Im Geiste checkt er die Personenzahl. Mehr als 40 darf er nicht auf einmal mit hineinnehmen. Und keine Risikopersonen, wozu Menschen mit Herzerkrankungen oder auch besonders Starkgewichtige zählen. Denn 700 Stufen werden zu erklimmen sein. Karbidlampen werden verteilt, Fotografieren ist untersagt, und schließlich wird der Plastikvorhang am Eingang beiseitegedrückt. Eine eisiger Wind fegt die soeben übergeworfenen Kapuzen von den Ohren, lässt den Atem stocken. Doch Stefan sagt, das dauert nur ein paar Sekunden. Denn kalte Luft aus den hohen Räumen im Inneren entströmt hier durch einen engen Durchgang. Drinnen hat sich die Ruhe von Jahrmillionen angesammelt.
Nachdem sich die Augen an das schummrige Licht gewöhnt haben, erblicken wir um uns herum einen gewaltigen Saal – 30 Meter hoch und ebenso breit. Mit Eismassen an den Wänden und einem üppigen Eisteppich, der sich weithin über dem Fels hangwärts ausbreitet.
„Posselt-Halle“ hat man ihn nach dem Mann benannt, der im Jahre 1879 erstmals in die Höhle vordrang. Temperatur: minus ein Grad – die konstante Sommertemperatur in der Höhle. Fröstelnde Erfrischung nach 30 Grad Außentemperatur. Im Winter gleicht sie sich der Außentemperatur an. Dadurch wird der Fels unterkühlt. Das langt für den Sommer mit, um die Eismassen und -skulpturen zu konservieren. Und die schlimmen Folgen der Erderwärmung?
„Bisher jedenfalls wirkt sich der Klimawandel nicht auf die Gegebenheiten in der Höhle aus“, sagt Friedrich Oedl, der Geschäftsführer der Eisriesenwelt.
Von Kindesbeinen an ist Oedl mit der Höhle vertraut. Sein Großvater, der Ingenieur Dr. Robert Oedl, war beteiligt an der Erstellung des ersten fundierten Höhlenplanes. Das Schutzhaus bei der Bergstation der Seilbahn ist nach ihm benannt. Von 40 Kilometer Gesamtraum der Höhle ist für die Öffentlichkeit nur der erste Kilometer freigegeben.
Im Gänsemarsch geht es Stufe um Stufe aufwärts. Vor dem großen Eiswall stoppt Stefan und erzählte die Geschichte des Höhlenforschers Alexander von Mörk und seinen Begleitern, die dieses zwanzig Meter hohe senkrechte gläserne Eisgebilde im Jahre 1913 erstmals überwanden. Mit primitiver Ausrüstung schlugen sie dort, wo sich heute die Riesentreppe entlang schlängelt, 140 Stufen senkrecht in das Eis. Mörk war es auch, der als Erster den sogenannten Sturmsee im Inneren der Höhle durchquerte – ein tiefer, von heftigem Luftzug bewegter See, an dessen Stelle sich heute ein enger und niedriger Durchgang befindet.
Immer wieder wechseln sich feierliche Eishallen mit tunnelartigen Durchgängen ab. Der Verkehr in der Höhle ist gut geregelt: Besuchergruppen kreuzen einander an parallel angelegten Stegen. So kommt es nicht zum Stau.
Während wir ziemlich damit beschäftigt sind, dem Vordermann nicht in die Hacken zu treten, wird plötzlich linker Hand eine bühnenartige Plattform in bläulich schimmerndes Licht getaucht. Die sogenannte Hymir-Burg. Stefan hat den vom Boden bis zur Decke 15 Meter hoch gewachsenen Eisberg mit Magnesiumlicht geradezu theatralisch illuminiert. Er selbst erscheint nun hoch oben in einem Riesenfenster. Wie eine winzige Spielfigur im Schauspiel der Natur.
Formationen wie diese werden durch Sickerwasser aus einer Bergspalte gespeist. An Kreuzungspunkten tektonischer Platten kam es so auch zu Ausweitungen von Räumen. Für den Laien gut verständlich wird in der vor Ort erhältlichen Broschüre „Eisriesenwelt“ der Entstehungsvorgang dieser Höhle in den nördlichen Kalkalpen beschrieben: „Diese Kalkgebirge waren einst riesige Korallenstöcke, die den Boden der Urmeere bedeckten. Vor Millionen von Jahren wurden sie emporgehoben und formierten sich zu sogenannten Kuppenlandschaften. Später wölbten sich diese frühen Gebirge weiter auf, es entstanden Risse oder vertikale Spalten, in denen das Wasser versickerte. Kurzum : Gesteinsverschiebungen und Auswaschungen im Berginneren sind der geologische Motor, der Höhlen wie die Eisriesenwelt entstehen lässt.“
Vor 60 bis 80 Millionen Jahren, als das Bett der Salzach noch gut 1.000 Meter höher lag, müssen gewaltige Wassermassen eingeströmt sein, die mit enormen Druck jene Gänge ausgewaschen und all die skurrile Räume geschaffen haben, die seit ihrer Begehbarkeit rund sechs Millionen Besucher bestaunt haben. Das Zusammenspiel der aus unterschiedlichen Höhen einströmenden Winde mit Temperatur und Luftdruck bewirkt eine Dynamik, die dem einsickernden Wasser seine hervorragende Voraussetzung bietet, um zum bleibenden Eis zu gefrieren. Den eisigen Szenarien gab man Namen wie: „Friggas Schleier“, „Asenheim“ – die Burg der Götter oder „Odin-Saal“. Bezeichnungen aus der germanischen Sagenwelt waren zwischen den Weltkriegen „in“, sagt Oedl. Und die Eisriesenhöhle liefert dafür wahrlich gute Vorlagen.
Die Urne mit der Asche des im ersten Weltkrieg gefallenen Höhlenforschers Mörk hat man seinem Wunsch gemäß in einer Nische des größten der begehbaren Eissäle dieser Höhle beigesetzt.
Nach einer Art Drehbuch kommentieren und inszenieren die Führer ihren Rundgang. Stefan führte uns zum Schluss noch eine Rutschpartie auf dem großen spiegelblanken Eissee im „Eispalast“ vor. Es heißt, dass diesen in den Dreißigerjahren ein Eislaufpaar als Trainingslager nutzte. Begleitet von Musik aus einem mitgebrachten Kurbel-Grammofon. Hier ist der Wendepunkt einer jeden Führung – ehe schließlich 700 Stufen wieder hinab aus dem Reich des Eishöhlenlabyrinths geleiten.