Der Himmel blau, die Erde grün

Chinas Staats- und Parteichef bittet zur Pressekonferenz vor Plastikblumen, und plötzlich sind alle Probleme der Welt lösbar und alles wird gut. Warnung vor „Politisierung“ der Olympischen Spiele

Trotz internationaler Proteste und eines Krisengipfels mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) hat China die Internetzensur im olympischen Pressezentrum in Peking nicht aufgehoben. Zwar waren am gestrigen Freitag zwischenzeitlich mehr Informationen als bisher zugänglich, doch viele Webseiten blieben gesperrt. Plötzlich zugänglich waren unter anderem die chinesischen Webseiten der BBC und der Deutschen Welle. Gesperrt waren die Webseiten der Tibetaktivisten Freetibet.org, der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung und der Menschenrechtsorganisation Human Rights in China. Nur teilweise zugänglich war das Angebot von Amnesty International. Die chinesische Ausgabe von Wikipedia war zwar am Vormittag zugänglich, am Nachmittag aber bereits wieder blockiert.Ein Sprecher des Organisationskomitees Bocog sagte, China „garantiere“ den Zugang zumInternet. „Die Berichterstattung chinesischer und ausländischer Reporter über das Internet ist ungehindert.“ Die Zusage entpuppte sich als falsch. Das IOC bleibt damit in Erklärungsnot, weil es den Zugang zu allen Webseiten garantiert hatte. Am Wochenende wird sich die IOC-Exekutive mit dem Thema befassen. Bei einem Krisengespräch mit chinesischen Offiziellen am Vorabend hatten IOC-Offizielle die Internetzensur angesprochen. DPA

AUS PEKING GEORG BLUME

Zum ersten Mal hat sich der chinesische Partei- und Staatschef Hu Jintao direkten Fragen ausländischer Journalisten gestellt. Aus Anlass der bevorstehenden Olympischen Spiele in Peking empfing Hu am Freitag in der Großen Halle des Volkes am Pekinger Tiananmenplatz 25 Journalisten aus allen Kontinenten. Das chinesische Außenministerium hatte die Journalisten im Vorfeld gebeten, Fragen an Hu einzureichen. Während der eineinhalbstündigen Pressekonferenz aber konnten die Journalisten ihre Fragen frei und ohne Vorgaben stellen. Im Gegensatz zum chinesischen Premierminister Wen Jiabao und seinem Vorgänger Zhu Rongji, die sich seit Ende der 90er Jahre immer wieder offen der internationalen Presse gestellt hatten, entzogen sich die chinesischen Parteichefs bislang immer den Fragen der internationalen Öffentlichkeit. Hu machte es jetzt anders – wurde aber kaum ernsthaft herausgefordert. Die Fragen blieben höflich. Die aktuell strittigen Themen rund um die Olympischen Spiele – die chinesischen Menschenrechtsverletzungen, die Situation in Tibet, die Internetzensur in China – fanden keine Erwähnung.

Hu warnte stattdessen vor der „Politisierung“ der Spiele. Sie verletzte die Interessen der Völker der ganzen Welt und „könne die olympische Bewegung untergraben“. Er räumte ein, dass verschiedene Nationen unterschiedliche Meinungen hätten, und forderte dazu auf, durch Gespräche auf gleicher Augenhöhe in gegenseitigem Respekt eine Annäherung zu erzielen. Im Einzelnen ging er auf die internationalen Konflikte nicht ein.

Dagegen verwahrte er sich dagegen, China als eine Bedrohung für die Welt zu betrachten. Danach hatte ihn der Korrespondent des Al-Dschasira-Fernsehens befragt. „China hat eine defensive Verteidigungspolitik und betreibt niemals eine Hegemonie- und Expansionspolitik“, sagte Hu. Er betonte, dass China trotz „aufsehenerregender Modernisierungserfolge“ immer noch das „größte Entwicklungsland der Welt“ bleibe. Die Probleme und Widersprüche, auf die China im Entwicklungsprozess stoße, seien sowohl vom Umfang her als auch in ihrer Komplexität beispiellos. „Wir haben noch einen sehr langen Weg zu gehen, bis die Modernisierung erreicht werden kann“, sagte Hu. Dabei werde China „in keiner Weise die Interessen anderer beeinträchtigen oder bedrohen“. Hu wich mit diesen Aussagen keinen Zentimeter von den üblichen Stellungnahmen der KP-Oberen ab. Doch hatte man die Dinge von ihm in freier Rede bisher nie gehört.

Immer wieder kam Hu auf den Umweltschutz zu sprechen. Er sei eine strategische Aufgabe und könne durch die Olympischen Spiele besonders gefördert werden. Sie seien die Gelegenheit für China, „das Bewusstsein für den Umweltschutz tief in den Herzen der Menschen zu verankern“. Über die bislang so schlechte Luft in Peking sprach Hu nicht. Dafür umso mehr von „fortschrittlichen Technologien wie die Nutzung von Bodenwärme und die Solarenergie“, die bei den Spielen Anwendung fänden. „Wir wollen durch die Austragung der Spiele die ökologische Zivilisation tatkräftig vorantreiben und uns bemühen, dass der Himmel blauer, die Erde grüner und das Wasser klarer wird“, sagte Hu im lupenreinsten Parteichinesisch. Nur selten wich er von solchen vorgestanzten Formulierungen ab, beispielsweise als er von seiner Vorliebe für Tischtennis sprach.

Besorgt zeigte sich Hu über die wirtschaftlichen Aussichten Chinas. Zwar habe das Land trotz Schneekatastrophe im Winter und Erdbebenkatastrophe im Frühjahr im ersten Halbjahr des Jahres ein Wirtschaftswachstum von 10,4 Prozent erreichen können. Doch gebe es in der Weltwirtschaft Unsicherheiten und destabilisierende Faktoren. Zum wirtschaftlich pessimistischen Ton passte, dass der Westsaal in der Volkshalle, in dem Hu die Journalisten empfing, nicht wie üblich mit frischen, sondern mit Plastikblumen geschmückt war.