: Fünfzig Quadratkilometer Arbeit
Istvan Szmolar arbeitet sich täglich einmal quer durch Berlin. Er sucht Flaschen
VON KAI LÖFFELBEIN (TEXT UND FOTOS)
Istvan Szmolar hat den Berliner Hauptbahnhof gebaut. Darauf ist er stolz. Der 36-jährige Maurer aus Ungarn kam vor knapp vier Jahren nach Berlin, um Geld für seine Familie in Ungarn zu verdienen. Doch als der Bahnhof fertig war, wurde das schwierig.
Heute lebt Istvan Szmolar von Pfandflaschen und dem gelegentlichen Verkauf einer Berliner Obdachlosenzeitung. Eine feste Bleibe hat er seit Jahren nicht mehr gehabt. Seine neue Arbeit ist beschwerlich: Jeden Tag durchkämmt Szmolar Berlin. Er beginnt morgens in Halensee und geht dann zu Fuß bis zum Ostbahnhof. Ein U-Bahn-Ticket kann er sich nicht leisten, und er ist auch schon so oft schwarz gefahren, dass er letztes Jahr für ein paar Tage im Knast landete.
Die Anzahl der Flaschensammler in Deutschland steigt: Obdachlose, Sozialhilfe-/Arbeitslosengeldempfänger und Rentner konkurrieren um die begehrtesten Mülleimer in den Bahnhöfen und nahe den Touristenattraktionen.
„Am Ende des Monats, wenn die staatlichen Hilfen knapp werden, sind die meisten Flaschensammler unterwegs“, sagt Istvan Szmolar. Er selbst stöbert deshalb auch in den Abfalleimern von Wohnhäusern. Den Großteil seiner Einnahmen schickt Istvan seiner Familie. Die weiß nicht, dass er obdachlos ist.
KAI LÖFFELBEIN, Jahrgang 1981, hat sich in seiner Arbeit als Fotograf dem Leben sozial benachteiligter Menschen verschrieben